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40 Jahre Tour de Sol: Der Erfolg löst eine Fortsetzung aus

Die grosse Beachtung, welche die erste Tour de Sol erhalten hatte, motivierte die Veranstalter, den Anlass weiterzuführen. Sie planten die Tour de Sol 86 und fanden mit Möbel Pfister einen neuen Haupt­sponsor. Start war dieses Mal in Deutschland, danach führte die Strecke über den Brünig nach Suhr. Es kamen erste Seriensolarmobile und die ersten Solartankstellen zum Einsatz. Zu den Siegern gehörten das Migros Electric Vehicle MEV 1 und die Ingenieurschule Biel in der Rennsolar-Kategorie.

Text und Bilder: Urs Muntwyler / Redaktion

Die Tour de Sol war als einmaliges Ereignis geplant. Doch schon am Folgetag stand die Frage im Raum: «Geht es weiter?» Markus Heimlicher verzichtete: Als Geschäftsführer der SSES und Inhaber eines Ingenieurbüros hatte er genug zu tun. Er organisierte aber im Herbst 1986 eine weitere Fachtagung zur «Technik der Solarmobile» im Verkehrshaus Luzern. Diese Fachtagung führten die Organisatoren der Tour de Sol mit angepassten Schwerpunkten bis 1998 weiter. Die Referate erschienen in einem Tagungsband und waren frei erhältlich.
Der Firma Jenni verhalf die Tour de Sol zu weiteren Kunden. Sie präsentierte in den Folgejahren viele solare Novitäten, die weltweit Aufsehen erregten. So das erste 100% solarbeheizte Einfamilienhaus und später das erste 100% solarbeheizte ­Mehrfamilienhaus in Oberburg. Für Urs Muntwyler als Insider war es immer lustig, zu sehen, wie sich Koryphäen von ETHZ/EPFL und anderen Hochschulen blamierten, weil sie der Jenni Energietechnik AG solche Meisterleistungen nicht zutrauten. Da er wusste, wie akribisch ­Josef Jenni und seine Mitarbeiter – vorab sein Bruder Erwin – vorgingen, war er vom Erfolg dieser Innovationen nicht überrascht.
Muntwyler übernahm schliesslich die Organisation der Tour de Sol. Dies noch als Angestellter der Firma Jenni. Er handelte mit der Winterthur Versicherung einen Sponsoringvertrag von 500 000 Franken pro Tour de Sol aus. Die Winterthur Versicherung war auch erfreut, mit Ringier und der «Schweizer Illustrierten» im gleichen Boot zu sein. Weil die Verantwortliche bei Ringier und Josef Jenni nicht harmonierten, stieg Ringier aber wieder aus. Damit stieg auch die Winterthur Versicherung aus, und die Organisatoren gelangten an den Nullpunkt. Muntwyler erhielt auch keinen Lohn mehr. Er fand eine einfache Lösung: Er zügelte seinen Bürostuhl und einige Ordner nach Bern in seine Wohnung und gründete dort das Ingenieurbüro Muntwyler. Er erhielt von der Hasler AG in Bern einen Vertrag für die Entwicklung von Solarladereglern für solare Stromversorgungen. Für ein EU-Forschungsprogramm wertete er die Fahrzeuge der Tour de Sol 85 aus. Mit der «Schweizer Illustrierten» produzierte die Tour de Sol die aufwendige Sondernummer «Solarmobile».Dazu hatte Muntwyler bereits 1984 einen Vertrag mit dem Franzis Verlag in München für ein Buch mit dem Titel «Praxis mit Solarzellen» unterzeichnet. Das Manuskript musste Ende ­Februar 1986 abgeliefert werden.


Der Durchbruch bei der Finanzierung gelang mit dem Möbelhaus Möbel Pfister aus Suhr. Dieses stieg als Hauptsponsor ein und erhielt diverse exklusive Leistungen von der Tour de Sol, inklusive mindestens eines Etappenorts. Dafür bezahlte die Firma 250 000 Franken, was für die damalige Zeit enorm war. Auch die «Schweizer Illustrierte» stieg wieder ein und war nun noch stärker engagiert. Mit Erich Leuthold stand ein erfahrener Journalist und PR-Profi zur Verfügung. Er löste den Ringier-Mann Urs Peter Naef ab, der während vieler Jahre als stellvertretender Chef der Tour de Sol agierte. Urs Peter Naef beendete seine berufliche ­Karriere als Pressesprecher des Migros-Genossenschafts-Bunds. Eine grosse Ausstellung im Shopping-Center Tivoli in Spreitenbach brachte Publizität und wichtiger noch: Bargeld in die Kasse. Muntwyler begann zudem, als Gewerbeschullehrer an der Gewerblichen Industriellen Berufsschule (GIBB) in Bern zu arbeiten. Er unterrichtete Elektronik, Fachrechnen, Digitaltechnik, Technisches Zeichnen, Physik und Erneuerbare Energien.
Für die Sponsoren war damals die TV-Präsenz mit hohen Einschaltquoten das Mass aller Dinge, also möglichst tägliche Sendungen wie «Tagesschau», «Schweiz aktuell» und «10 vor 10». Dazu mussten jedes Jahr eine «süffige Story» mit Neuigkeiten aus dem Bereich der Solarmobile und ihrer Technik sowie eine spektakuläre Strecke her. Für die zweite Tour de Sol bedeutete das einen Start an der Landes­gartenschau in Freiburg im Breisgau. Dies wurde uns vom Tour-de-Sol-85-Teil­nehmer und Architekten Rolf Disch vermittelt. Vom Start in Freiburg im Breisgau führte die Route nach Pratteln zu einem Möbel-Pfister-Möbelhaus. Die dritte Etappe führte über den Hauenstein nach Brügg bei Biel in das dortige Einkaufscenter. Die vierte Etappe hatte das Ziel auf dem Bundesplatz vor dem Bundeshaus in Bern. Von Bern ging es über Thun und die malerische Bergstrecke entlang des Thunersees nach Interlaken. Von Interlaken überquerten wir den Brünigpass und fuhren bis ins Verkehrshaus Luzern. Die Herausforderung des Brünigpasses führte im Vorfeld zu grossen Diskussionen bei einigen Teilnehmern. Da wir nun aber im Berechnen von Streckenvarianten schon sehr versiert waren, wussten wir, dass das funktionieren würde. Im Geheimen rechneten Muntwyler und sein Berufsschüler sowie das Mercedes-Team vom Tour-de-Sol-85-Sieger bereits die Überquerung der Alpen über den Gotthard. Die Schluss­etappe führte von Luzern zum Hauptsitz von Möbel Pfister in Suhr. Die siegreichen Solarmobile wurden anschliessend im Möbelhaus in Suhr ausgestellt.

91 Solarmobile und die neue Kategorie «Seriensolarmobile»

Das Teilnehmerfeld der Tour de Sol 86 war mit 91 Teilnehmern mehr als 50% grösser als bei der ersten Austragung. Die Solar­mobile waren stark verbessert. Mit der neuen Kategorie «Seriensolarmobile» konnten Fahrzeuge mit einer Einzelzulassung des kantonalen Strassenverkehrsamtes teilnehmen. Ausländische Teilnehmer erhielten eine braune «Überführungsnummer» für das Rennen. Das wurde möglich dank der neuen Begleitkommission, geleitet vom Verband der kantonalen Strassenverkehrsämter. So gingen auch baugleiche Fahrzeuge des Möhliner Kunststofffabrikanten Horlacher an den Start. Die dreirädrigen Fahrzeuge hatten eine Kunststoffkarosserie, zwei Räder vorne und das angetriebene Rad hinten. Bei vielen Fahrzeugen wurde ein Reibradgetriebe der Solothurner Firma Delta verwendet. Neu waren auch die DC-Solartankstellen, sodass nicht mehr alle Solarmodule auf dem Fahrzeug selbst montiert werden mussten. Dies war nur noch bei den Rennsolar­mobilen der Fall.

Ingenieurschule Biel gewinnt bei den Rennsolarmobilen

Im Vergleich zu 1985 waren 1986 nach dem Verzicht des Vorjahressiegers mehrere Rennsolarmobile am Start, denen ein Sieg zugetraut wurde. Von den 21 Startenden in dieser Kategorie waren viele das zweite Mal an der Tour de Sol. Nebst der Ingenieurschule Biel, die mit einem komplett neuen Fahrzeug antrat, waren das Team von Erwin Hungerbühler mit dem Rennsolarmobil «Helios Wil», das Solarteam Weibel aus Menzingen und das Team von Michael Trykowski aus Deutschland viel genannte Favoriten. Es gewann der Vorjahreszweite, die Ingenieurschule Biel mit Paul Balmer als Fahrer, vor dem Team «Helios Wil» mit Erwin Hungerbühler und dem Team «Sunspeed» mit Willi Stöckly. Alle drei hatten eine Fahrzeugkonfiguration analog dem Sieger von 1985 mit einem schlanken Rumpf, zwei Vorderrädern und dem Antriebsstrang auf einem zentralen Hinterrad. Das viertplatzierte Solarmobil des Solarteams Menzingen mit Fahrer Robert Küttel und das fünftplatzierte Modell von Michael Trykowski setzten auf einen über die gesamte Fläche des Fahrzeuges gelegten Solargenerator. Diese beiden Konzepte dominierten in den Folgejahren bei den Rennsolarmobilen die Tour de Sol.

Vorjahressieger mit neuem Fahrzeug erfolgreich

Die Teilnehmerzahl der zweiten Kategorie «Solarmobil mit Zusatzantrieb» – das heisst mit Pedalen – schrumpfte im Vergleich zu 1985 stark. Zehn Teilnehmende erreichten das Ziel regulär. Es gewann wie im Vorjahr – aber mit einer völlig neuen, wesentlich grösseren Konstruktion – Team 13 «Gridelli» mit Fahrer Peter ­Bretscher. Zweiter wurde Nummer 26 «Gnomon» mit Marcel Friedrich vor Nummer 64 «Scheich-Spörri» mit Fahrer Wolfgang Scheich, dem Fünften von 1985. Platz vier erreichte Team «Müfi» vor «Solfares» von Andreas Weber.

Neue Kategorie Seriensolarmobile mit Solartankstellen

Die neue Kategorie «Seriensolarmobile» mit Solartankstellen brachte 22 Teilnehmende ins Ziel in Suhr. Es gewann das Team 42 «Migros Electric Vehicle MEV 1» mit Fahrerin Christa von Burg in einem formschönen und technisch aufwendigen Vierradfahrzeug. Zweiter wurde die Nummer 36 «Sunshine» mit Christian Leu, von der «Schweizer Illustrierten» als «rasender Landwirt» vermarktet. Dritter wurde der deutsche Architekt Rolf Disch mit der 55 «Disch Design» vor der Nummer 90 «ADAC Disch Design» mit Veronika Rauch und der 91 ebenfalls «Disch Design» mit Elisabeth Beerens und Bernd Maurer.

Ausgeschiedene Solarmobile auf dem selektiven Kurs

Wie im Vorjahr wurden die Solarmobile, die Zusatzenergie nötig hatten, in «Kategorie IV» umgeteilt und fuhren in dieser Kategorie das Rennen fertig. Dies betraf 35 Teilnehmende, was zeigt, dass die Tour de Sol 86 sehr selektiv war.
Interessant waren auch drei ausser Konkurrenz teilnehmende Fahrzeuge, zum Beispiel die Nummer 11 der University Queensland aus Australien, ein vierplätziges, analog einem Tandemvelo konstruiertes Fahrrad mit einem Solardach. Diese Einspurfahrzeuge waren im Tour-de-Sol-Reglement aus Sicherheitsgründen nicht vorgesehen. Die Australier, die schon Erfahrung im Fahren hatten, meisterten auch Bergstrecken tadellos und erregten viel Aufsehen.
Stirnrunzeln bei der technischen Kommission verursachten die Nummern 77 und 78 des Ökozentrums Langenbruck. Diese Horlacher-Fahrzeuge hatten keine Solarzellen auf den Fahrzeugen. Dafür baute das Ökozentrum eine netzgekoppelte 1,2-kWp-PV-Anlage auf dem Ökozentrum-Gebäude in Langenbruck. Weil das Ökozentrum Langenbruck im Tour-de-Sol-Biotop bestens bekannt war – unter anderen war Hans-Peter Zumsteg Mitglied der technischen Kommission 1985 –, wurden die Organisatoren kreativ. Denn zweifelsohne war diese netzgekoppelte PV-Anlage, erst die zweite solche Anlage in der Schweiz, eine interessante Innovation und damit unterstützenswert. So wurde entschieden, das Ökozentrum mit seinen Fahrzeugen «ausser Konkurrenz» an der Tour de Sol 86 teilnehmen zu lassen. Dies war der Startschuss zur neuen Kategorie «netzgekoppelte Solar­mobile», die bereits 1987 offiziell wurde. Dies führte zu einem ersten Boom von dezentralen PV-Anlagen in der Schweiz, die damals weltweit führend in diesem Bereich wurden.