
Auch 40 Jahre nach der Tour de Sol gibt es noch keine Fahrzeuge in Grossserien, welche die Photovoltaik direkt in die Struktur integrieren. Im Gegenteil: Viele Ansätze, die in diese Richtung gezeigt haben, sind gescheitert. Dennoch sind Solarenergie und Mobilität für die Zukunft ein wichtiges Gespann, mit der Zunahme von Photovoltaikanlagen auf der einen und von Elektrofahrzeugen auf der anderen Seite. Und auch die Integration von Photovoltaik direkt in Fahrzeuge hat in Nischen noch eine Zukunft.
Text: Beat Kohler
Anfang des vergangenen Jahres haben gleich zwei grosse Projekte, welche die Photovoltaik direkt in die Fahrzeuge integrieren wollten, ihr Scheitern bekannt gegeben. Eines davon war das niederländische Unternehmen Lightyear. Der Prototyp konnte mit fünf Quadratmetern verbauten Solarpanels unterwegs aufgeladen werden und hatte eine Reichweite von bis zu 70 Kilometern pro Tag allein durch die Sonne. Der angekündigte Preis war aber so hoch, dass man das Modell überarbeiten und am Schluss aufgeben musste. Das Unternehmen suchte Partnerschaften, um die vorhandene Solartechnologie bei Fahrzeugen anderer Anbieter einzubauen. Anfang März dieses Jahres hat Lightyear bekannt gegeben, dass es zusammen mit dem Automobildesigner Granstudio erforscht hat, wie Solartechnologie Fahrzeugdesign und -funktionalität grundlegend verändern kann. Bahnbrechend sind die Erkenntnisse nicht, und es sind wohl dieselben, welche die Entwickler an der Tour de Sol vor 40 Jahren auch schon hatten: Die Integration von Solarenergie muss bei der Fahrzeugentwicklung von Beginn weg mitgedacht werden, und es braucht ein Gleichgewicht zwischen Zweckmässigkeit und Innovation.
Auf LKW statt PKW
Ebenfalls gescheitert ist das deutsche Unternehmen Sono Motors, das sein Sion-Programm vor bald zwei Jahren eingestellt hat. Dies obwohl bis dahin bereits 45 000 Fahrzeuge reserviert waren. Vor einem Jahr kündigte auch Sono Motors an, seine Technologie anderen Fahrzeugherstellern zur Verfügung stellen zu wollen. Anfang Jahr hat Sono Motors nun mitgeteilt, dass es als erstes Unternehmen in Deutschland die allgemeine Betriebserlaubnis für sein Solar Bus Kit erhalten hat. Diese Zertifizierung sei in Deutschland die erste ihrer Art für fahrzeugintegrierte Photovoltaik (VIPV). Das Solar Bus Kit ist eine Nachrüstlösung, bei der Photovoltaikmodule auf Busdächern installiert werden. Die gewonnene Energie wird direkt ins Bordnetz eingespeist. Bislang galt diese Technologie bei der Typgenehmigungsbehörde als nicht genehmigungsfähig, da weder Prüfkriterien noch ein standardisiertes Verfahren existierten. Diese Zertifizierung garantiere, dass alle nationalen und internationalen Vorschriften erfüllt würden, und führe zu Kosteneffizienz und Zeitersparnis, da Einzelabnahmen entfallen würden, teilt das Unternehmen mit. Allerdings bäckt man mit der Nachrüstung von Bussen deutlich kleinere Brötchen, als das mit der Entwicklung eines Solarfahrzeuges das Ziel war. In einer Zeit, in der batterieelektrische Fahrzeuge immer erschwinglicher werden, ist das nachvollziehbar. VIPV stellt kaum noch einen Wettbewerbsvorteil dar. Die Fahrzeuge wären aktuell deutlich teurer bei einer geringeren Marktdurchdringung und entsprechend schlechterem Service. Solange zuverlässige Stromnetze und günstige stationäre Photovoltaikanlagen zur Verfügung stehen, sind die Vorteile von VIPV schwierig darzustellen. Das ist insofern bedauerlich, als heute die leichtesten Serienfahrzeuge bei 1,5 Tonnen liegen und die Fahrzeuge in der Luxusklasse bald das zulässige Höchstgewicht von 3,5 Tonnen erreichen – weit weg von einem leichten Solarfahrzeug. Bedauerlich ist das auch, weil das Potenzial gross ist. Würde man alle in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge durch E-Autos mit VIPV ersetzen, entspräche dies einem technischen Potenzial von rund 55 GW installierter Leistung, schreibt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Pkw könnten mit einem Photovoltaikdach pro Jahr über 2000 Kilometer Reichweite erzielen. Da die Autoindustrie aber mit dem Absatz der klassischen Elektrofahrzeuge beschäftigt ist, dürfte sie aktuell kaum Interesse haben, auf ein neues Pferd zu setzen. So dürfte der verbleibende Markt die Photovoltaik auf Lastwagen und Bussen sein, wie sie Sono Motors nun offensichtlich mit ersten Erfolgen vorantreibt.
Auf Haus- statt Autodach
Die Trennung von Fahrzeug und Photovoltaikanlage dürfte auch im Interesse von Herstellern und Installateuren von Solardächern sein. Sie möchten die Fahrzeuge, welche die meiste Zeit des Tages herumstehen, als Pufferbatterien mit Rädern für die Spitzenproduktion der Solardächer sehen. «Eine der spannendsten Möglichkeiten ist die Nutzung von Elektrofahrzeugen nicht nur als Stromverbraucher, sondern als Teil eines dezentralen Energiespeichernetzwerks», erklärt beispielsweise Philippe Agafonovas, CEO von SunStyle, einem Schweizer Hersteller von Solardächern, in einer Mitteilung. Der Netzausbau und der Ausbau der Energiespeichersysteme würden nicht mit dem Tempo des Solarausbaus Schritt halten. Ohne grossflächige Speicherlösungen gehe deshalb bald Solarenergie verloren. «Elektrofahrzeuge könnten eine zentrale Rolle dabei spielen, Solarenergie besser in das Energiesystem zu integrieren. Der Ausbau der Solarenergie und der Zuwachs an Elektrofahrzeugen sollten daher gemeinsam betrachtet werden, sodass das temporäre Problem der Drosselung und des Einspeisemanagements eher als Chance betrachtet werden kann», erklärt Agafonovas. Bereits 2023 hat ein Forschungsprojekt des Bundesamts für Energie, durchgeführt an der ETH Zürich, gezeigt, wie batterieelektrische Fahrzeuge zusammen mit Photovoltaik für eine bessere Netzintegration sorgen. Fahrzeugflotten, die mit Solarstrom geladen werden und auch Strom ins Netz zurückgeben – also bidirektional laden –, können zu einem stabilen Stromnetz beitragen, wie die Forschenden schon damals klar aufzeigten. Bidirektionales Laden könnte Systemdienstleistungen bereits auf der Verteilnetzebene bereitstellen. Eine wesentliche Erkenntnis des Forschungsprojektes war, dass durch eine geeignete Steuerung des Ladeverhaltens Lastspitzen vermieden werden können. Beispielsweise wenn in der Mittagszeit geladen wird. Als Anreiz dafür könnten zeitvariable Ladetarife dienen.
Wirtschaft hat Vorteile für sich entdeckt
Dass Solarenergie und Elektromobilität im Zusammenspiel eine wichtige Rolle spielen werden, zeigt die Übernahme von Helion durch die Amag Group vor rund zweieinhalb Jahren. Gemäss der Amag baute Helion allein im vergangenen Jahr mit Privat-, Gewerbe- und Industriekunden Photovoltaikanlagen mit einer Kapazität für mehr als 37 000 Elektrofahrzeuge. «Über 80 Prozent dieser Anlagen sind mit dem smarten Helion One System ausgestattet, das den Kundinnen und Kunden ermöglicht, ihre Fahrzeuge überwiegend mit selbst produziertem Solarstrom zu laden», schreibt Amag. Ziel der Gruppe ist es, mit einem Paket an Dienstleistungen den Marktanteil bei rein batterieelektrischen Fahrzeugen auf über 30% zu halten. Der Strom für den Betrieb dieser E-Fahrzeuge soll zunehmend selbst produziert werden. «Zum Gesamtangebot der Amag Group gehören neben dem Fahrzeug Solaranlagen, Wärmepumpen, intelligente Ladelösungen sowie Energiemanagementlösungen für Unternehmen oder für Private», erklärte Helmut Ruhl, CEO der Amag Group, ein Jahr nach der Übernahme von Helion. Die Vorteile liegen für alle, die heute schon ein batterieelektrisches Fahrzeug und eine Solaranlage haben, auf der Hand. Die Amag rechnet vor, dass die Energiekosten im Vergleich zu einem Verbrenner um rund 80% sinken. Mit ihrem umfassenden Angebot will die Amag natürlich einen möglichst grossen Teil der Wertschöpfungskette vom Solardach bis zum Fahrzeug in den eigenen Händen behalten. Deshalb überrascht die Ankündigung wenig, dass ein sogenanntes 28-Rappen-Ladenetzwerk eingerichtet werden soll. Die Amag verspricht der Kundschaft, dass sie an über 220 Ladepunkten an mehr als 30 Standorten zum einheitlichen Preis von 28 Rp./kWh laden kann. Bei Gestehungskosten von Solarstrom von rund 8 bis 15 Rappen Rp./kWh ist dieses Angebot sicher auch für die Amag lukrativ. Wenn ein wirtschaftlich getriebenes Unternehmen hier investiert, dann stellt eine Investition in das Zusammenspiel von Solarenergie und Mobilität die Zukunft dar.