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Clevere Doppelnutzung der Landfläche

Die Module werden von den Installateuren zunächst am Boden zusammengebaut , bevor sie auf der fünf Meter hohen Stahlkonstruktion montiert werden. Foto: Hofgemeinschaft Heggelbach GbR, Olivia Schmid

Landwirtschaft und Stromproduktion auf derselben Fläche – die angehobenen Agrophotovoltaikpanels (APV) machen es möglich. Das Frauenhofer-Institut für Solare Energiesysteme geht der Vision seines Gründers nach und sucht nach der maximalen Landnutzungseffizienz. Über die Potenziale für die Schweiz lässt sich derzeit nur fantasieren.

Matthias Schiemann

Pflanzen brauchen Sonne. Photovoltaik auch. Bisweilen stritten sie gewissermas­sen um ihren Platz an der Sonne. Denn beides scheint sich auszuschliessen: ent­weder Photovoltaik oder Photosynthese. Der Bau von grossflächigen Photovoltaik­anlagen im Namen der Energiewende ent­zieht letztlich der Landwirtschaft ihren Boden. Doch wo wird dann unser Gemüse noch produziert? Das Problem ist ein al­tes: Landmanagement. Die Energiewende benötigt den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn dafür aber die Landwirt­schaft Platz machen muss und transport­intensive Importe aus Ländern mit frag­würdigen Stromquellen die lokale Nah­rungsmittelversorgung sicherstellen müs­sen, wird die nachhaltige Idee hinter der ganzen Sache ad absurdum geführt.

RECHTSLAGE IN DER SCHWEIZ
Nach dem Bundesgesetz über die Raum­planung sind Bauten innerhalb der Land­wirtschaftszone nur gestattet, wenn die Standortgebundenheit dies erfordert. Weil Solarparks auch anderswo aufge­stellt werden können, können nach schweizerischer Rechtsauffassung frei stehende Solaranlagen nicht landwirt­schaftlich begründet werden und sind deshalb rechtlich auch nicht zulässig, wie der Landwirtschaftliche Informations­dienst (LID) schreibt – zumal in der Schweiz immer noch sehr viele landwirt­schaftliche Dachflächen ungenutzt sind und obwohl die Baukosten bei solchen Freiflächenanlagen geringer sind. 2012 erfragte ein Postulat beim Bundesrat, wie Freiflächen-Solarstromanlagen bewilligt werden könnten oder welche gesetzlichen Bestimmungen insbesondere im Raum­planungsgesetz geändert werden müss­ten, damit dies möglich wäre. Bereits da­mals verwies der Bundesrat in seiner Antwort auf das grosse noch vorhandene Potenzial an geeigneten Gebäudeflächen zur Nutzung der Photovoltaik in der Schweiz. Das geltende Raumplanungs­recht schliesse freistehende Solaranlagen zwar nicht ausdrücklich aus. Die Stand­ortgebundenheit solcher Anlagen ausser­halb der Bauzone sei aber mit Blick auf das grosse Potenzial auf bestehenden Ge­bäuden «nur in den allerseltensten Fäl­len» gegeben. Der Bundesrat sah damals keinen Bedarf, einen Bericht über allfäl­lige Gesetzesänderungen zu erstellen. (BK)

Entweder oder? Und!

Das Problem haben Prof. Adolf Goetzber­ger, Gründer des Fraunhofer-­Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), und Dr. Ar­min Zastrow bereits 1981 thematisiert. Ihr Ziel war es, Sonnenenergie und Landwirt­schaft zu kombinieren. Die Idee: Angeho­bene Sonnenkollektoren sollen die Be­schattung durch die Anlage reduzieren und so eine Doppelnutzung der Fläche ermöglichen. Sie haben die präzise Auf­stellung einer solchen Anlage für die hie­sigen Breitengrade mathematisch berech­net. Die Kollektoren müssen nämlich, proportional zu ihrer Breite und ihrem Winkel, mit genügender Höhe installiert werden, damit die Pflanzen unter der An­lage immer noch genügend direkte und diffuse Sonneneinstrahlung erhalten. Nur so können diese auch weiterhin gut gedei­hen und Früchte tragen.

25 Jahre später ist es Realität

Was 1981 noch Theorie war, ist in Herd­wangen­-Schönach, Deutschland, unweit vom Bodensee heute Praxis. Zwar wurden keine Sonnenkollektoren, dafür Photovol­taik verwendet, aber die Idee bleibt die­selbe. 720 Module mit einer Leistung von 194,4 kW prangen auf der Hofgemein­schaft Heggelbach fünf Meter über einem Drittel Hektar Ackerfläche. «Agrophoto­voltaik» (APV) nennt sich nun das Ganze und soll die Landnutzungseffizienz opti­mieren, indem quasi auf zwei Etagen die Energie der Sonne genutzt wird. Auch für Landwirtinnen und Landwirte birgt dies Vorteile. Der Flächenkonkurrenz unterein­ander wird entgegengewirkt und gleich­zeitig erschliesst sich ihnen eine neue Ein­kommensquelle. Letztlich treibt es aber durch den Ausbau erneuerbarer Energien auch die Energiewende voran. Die Höhe der PV-­Module wird gleichzeitig auch ge­nutzt, um deren Ertrag zu maximieren. Dazu wurden bifaziale Module instal­liert – Module, die auf der Unterseite auch die Rückstrahlung vom Boden absorbieren können. Besonders im Winter fördert dies die Stromgewinnung, aufgrund der star­ken Rückstrahlung von schneebedecktem Boden. Tatsächlich konnte unter dieser Bedingung ein zusätzlicher Gewinn von bis zu 25 Prozent verzeichnet werden. Ein starker Pluspunkt in Anbetracht des be­kannten «Winterlochs» für die Solarener­gieproduktion.

«APV-Resola»

Die Installation auf der Demeter-­Hofge­meinschaft ist nicht die erste ihrer Art. Aber sie dient dem ISE als Versuchsfläche und Forschungsgrundlage. Das Projekt wurde «Agrophotovoltaik – Ressourcen­ effiziente Landnutzung» oder kurz «APV­-Resola» getauft und prüft die effektive Produktivität einer Doppelnutzung. Nicht bloss die Stromproduktion wird gemessen, sondern insbesondere auch die Produkti­vität des Bodens. In einer dreijährigen Studie wurden unter den Solarmodulen ebenso wie auf einer nicht überbauten an­liegenden Fläche verschiedene Pflanzen und Getreide angepflanzt und miteinan­der verglichen. Die mit der Einweihung der Anlage im September 2016 begonnene Studie endet dieses Jahr, und das ISE kann überzeugende Ergebnisse präsentieren. Bemerkenswerterweise konnten die Ernte­erträge im letzten Jahr bei drei der vier Versuchskulturen sogar gesteigert werden.

POTENZIALE IN ARIDEN ZONEN
Besonders in sehr heissen und trockenen Breiten­ graden könnte eine Agrophotovoltaikanlage gute Anwendung finden. Einerseits ist viel Sonne für die Stromproduktion vorhanden, andererseits schützen die Solarmodule die Bodenbedeckung vor zu grosser Trockenheit. Ein kontinuierlich mit Grün bedeckter Boden kann Wasser viel bes­ser speichern. Ist die Vegetation einmal weg, ist die Bodendegradation kaum aufzuhalten. Die Be­schattung durch die Solarmodule könnte ein Mit­tel bieten, um dieser Abwärtsspirale entgegenzu­wirken. Das ISE ist deshalb um den Transfer der Technologie in diese Zone bemüht. Beispielsweise prüft das Institut mit Partnern in Algerien im Rahmen des EU­-Programms «Horizon 2020», wie sich die Agrophotovoltaikanlage auf den Wasser­haushalt auswirkt. Neben der geringeren Ver­dunstung und der verminderten Temperatur durch Verschattung könnte auch die Regenwas­sergewinnung mit den Solarmodulen einen Bei­trag für einen verbesserten Wasserhaushalt leis­ten. (MS)

Die Teilverschattung durch die Solarmo­dule schützt die Pflanzen vor der starken Trockenheit im Hochsommer. Dank dem Schatten vermindert sich die Evapotrans­piration, das Wasser kann besser gespei­chert werden, und die Pflanzen können lang anhaltende Trockenheit besser ver­kraften. Tatsächlich konnte unter der APV­-Anlage in den heissen und trockenen Frühlings­ und Sommermonaten eine er­höhte Bodenfeuchtigkeit des Weizenbe­standes gemessen werden. Im ersten Jahr fielen die Erträge deutlich kleiner aus, und es wurden Verluste von bis zu 19 Prozent verzeichnet. Allerdings liegt diese ein­malig tiefe Messung immer noch inner­halb des im Voraus angestrebten Ziels: Die Demeter-­Landwirte von Heggelbach woll­ten mindestens 80 Prozent vom üblichen Ertrag unter der Anlage realisieren kön­nen. Rechnet man die zusätzliche Land­nutzungseffizienz durch die Strompro­duktion dazu, ergibt sich ein klarer Gewinn. Bereits im ersten Projektjahr ver­zeichnete das Projektkonsortium eine Landnutzungseffizienz von 160 Prozent. Und der Hitzesommer des letzten Jahres brachte mit einer solaren Einstrahlung von 1319,7 kWh pro Quadratmeter einen Ertrag von 1285,3 kWh pro installiertem kW­Peak (womit die APV-­Anlage bereits heute im Wettbewerb mit einer kleinen PV-­Dachanlage mithalten kann). Damit konnte eine Landnutzungseffizienz von 186 Prozent erreicht werden. Trotz den hoffnungsvollen Ergebnissen gesteht das Konsortium realistischerweise ein, dass es noch zu früh für eindeutige Aussagen ist. Weitere Praxisjahre mit Un­tersuchungen von anderen Kulturen seien nötig. Sicher ist: Eine Agrophotovoltaik­anlage ist nicht für alle Kulturen geeignet. Bereits Goetzberger und Zastrow haben vorausgesagt, dass sich diese Doppelnut­zung nur für Pflanzen eignet, deren Wachstum nicht auf die Verfügbarkeit von Licht begrenzt ist. Gleichzeitig ist die Hoffnung gross, dass zusätzliche Erfah­rungen mit weiteren Kulturen die Effizi­enz noch weiter steigern könnten.

Potenzial für die Schweiz

Die Energieproduktion aus der Schweizer Landwirtschaft ist immer noch zu grossen Teilen von Biomasse bestimmt. Wind und Sonne machen weiterhin einen kleinen An­teil aus, wenn er auch in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen ist. In einer Potenzialanalyse hat die Energieberatungs­agentur AgroCleanTech im Jahr 2012 die Möglichkeiten der Energieproduktion in der Landwirtschaft untersucht. Obwohl ledig­lich das Flächenpotenzial auf Gebäuden be­rücksichtigt werden konnte – da freiste­hende Flächen in der Schweiz für die Nah­rungs­ und Futterproduktion genutzt wer­den sollen –, hat die Agentur ein Potenzial von 1235 GWh/a bis 2030 für Photovoltaik in der Landwirtschaftszone errechnet. Da angehobene Solaranlagen in der Schweiz nicht erlaubt sind, kommt eine Anlage wie die in Herdwangen­-Schönach heute nicht infrage. Man stelle sich aber vor, wie hoch das Potenzial läge, würde sich dies ändern.