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Pflanzenkohle als neue Wunderwaffe im Kampf gegen die Klimakrise

Foto: Holzenergie Schweiz

Florian Gut produziert Pflanzenkohle aus Holz. Dafür hat er in eine Holzvergasungsanlage investiert. In einem komplexen Prozess entstehen neben der Kohle auch Wärme zur Beheizung mehrerer Gebäude sowie Warmluft zur Trocknung von Brennholz. Herzstück der Anlage ist ein Gasmotor, der in zwanzig Betriebsstunden soviel Strom produziert, wie ein vierköpfiger Schweizer Haushalt in einem ganzen Jahr verbraucht.

Holzenergie Schweiz/Redaktion

Ein markanter Holzbau, der die neue Holzvergasungsanlage beherbergt, steht im Weiler Desibach bei Buch am Irchel. «Wir haben den Bau mit Holz aus dem eigenen Wald konstruiert», erzählt Bauherr Florian Gut. «Zehn Jahre hat die Projektentwicklung gedauert, bis wir im August 2021 die Anlage in den ordentlichen Betrieb nehmen konnten. Wir sind sehr zufrieden», erklärt der ist Landwirt, Winzer und Unternehmer gegenüber Holzenergie Schweiz. Der Wald hat in der Familie Gut Tradition. Seit Generationen bewirtschaftet die Familie etwa 33 Hektaren eigenen Wald. Hergestellt wird vor allem Stückholz. «Pro Jahr stellen wir etwa 500 Ster Scheiter her, die wir zurzeit sehr gut verkaufen können», so Gut. Die neue Holzvergasungsanlage produziert Warmluft zur Trocknung noch grösserer Mengen. Die Nachfrage nach Stückholz ist gross, der Geschäftszweig soll in nächster Zeit ausgebaut werden. Damit bestätigt Florian Gut einen schweizweiten Trend: Die Nutzung von Stückholz in kleineren Anlagen im Wohnbereich wird «wiederentdeckt».

Die Warmluft trocknet aber nicht nur das Stückholz, sondern auch die Hackschnitzel für den Holzvergaser. Im Schnitzelsilo lagern grosse Mengen waldfrischer Schnitzel, die sukzessive durch den Warmlufttrockner gefördert werden und anschliessend in ein Zwischenlager gelangen. Von dort aus laufen sie durch eine raffinierte Mischanlage und werden in der optimalen Zusammensetzung (Stückigkeit, Feuchte) dem Vergaser zugeführt. Auffällig ist die grosse Variabilität des Rohstoffes. «Wir können eigentlich alle bei uns anfallenden Sortimente in den Vergaser führen, das heisst auch Rinde und Feinanteile aus der Stückholzproduktion. Der Vergaser ist diesbezüglich sehr tolerant.», erklärt Gut.

So entstehen aus Holz Kohle, Strom und Wärme

Der vorgetrocknete Brennstoff – ausschliesslich naturbelassenes Energieholz aus der Region – gelangt in den Pyrolyse-Reaktor. Bei etwa 500 Grad Hitze wird das Holz entgast und die erste Stufe der Kohle entsteht. Das Gas und die Kohle gelangen anschliessend in einen Schwebereaktor, wo weitere Verbrennungsluft zugeführt und der Entgasungsprozess bei einer Temperatur von etwa 850 Grad zu Ende geführt wird. Die mittlerweile recht feine Kohle «schwebt» im Gasstrom zum Filter, der sie vom Gas trennt und unter Zugabe von Wasser kühlt und ablagert. Das Holzgas gelangt weiter durch einen Kühler, der seine Temperatur auf etwa 100 Grad absenkt. Anschliessend strömt es durch einen mit Wasser betriebenen Wäscher und von dort mit noch etwa 20 Grad Temperatur in den Gasmotor. Dieser hat eine elektrische Leistung von 240 kW. Seit August läuft der Motor und hat im ersten Betriebsmonat gleichviel Strom hergestellt, wie etwa dreissig vierköpfige Schweizer Haushalte während eines ganzen Jahres verbrauchen. Für die Stromproduktion erhält Florian Gut eine kostendeckende Einspeisevergütung. Er kann dank dieser Förderung die Anlage wirtschaftlich betrieben werden. Die bei allen Schritten des Prozesses anfallende Wärme wird mittels Wärmetauscher zurückgewonnen und genutzt. Dadurch erreicht der Holzvergaser gemäss den Angaben des Herstellers einen  Gesamtwirkungsgrad von mehr als 90 %.

Kohle, Kuh und Klima

Warum der ganze Aufwand zur Herstellung von Pflanzenkohle? Pflanzenkohle ist ein wertvoller Stoff. Sie kann einen grossen Beitrag zur Verbesserung des Humusgehalts und der Wasserspeicherung der Böden leisten. Zudem gilt sie als Kohlenstoffsenke, weil sie sehr lange – durchaus mehrere Jahrhunderte – im Boden verbleibt. Der Landwirtschaftsbetrieb von Florian Gut beteiligt sich an einer Studie der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft. Sie bestätigt die positiven Auswirkungen von Pflanzenkohle auf den Humusgehalt (Fruchtbarkeit), den Nährstoffkreislauf (Stickstoff) die Wasserspeicherfähigkeit und Klimaverträglichkeit intensiv genutzter Landwirtschaftsböden. Pflanzenkohle wirkt wie ein Schwamm für Nährstoffe und ist Lebensraum für Mikroorganismen. Gemäss Agroscope verfügt die «Wunderwaffe Pflanzenkohle» noch über eine weitere positive Eigenschaft: «Durch die Ausbringung von Pflanzenkohle lassen sich die Lachgasemissionen (N2O) aus landwirtschaftlich genutzten Böden verringern, was auf eine veränderte Aktivität der Mikroorganismen im Boden hindeutet. Für die Treibhausgasbilanz von landwirtschaftlich genutzten Böden, ist die Reduktion der N2O-Emissionen von grosser Bedeutung, da Lachgas ein 300-fach höheres Erwärmungspotential als CO2 hat.»

«Pflanzenkohle als Beigabe im Futter der Kühe wirkt sich positiv auf die Verdauung und das Wohlbefinden der Tiere aus. Es stinkt weniger im Stall, da die Ammoniakausscheidungen verringert werden», so Gut. Auch das ist positiv für die Umwelt, da Ammoniak sensible Ökosysteme wie Moore und Wälder verändert. Mit der ammoniakärmeren Gülle gelangt die Pflanzenkohle schliesslich aufs Feld und entfaltet ihre positiven Wirkungen in den Böden während sehr langer Zeit. Für Florian Gut geht die Rechnung auf, da Pflanzenkohle ein begehrter und entsprechend hochpreisiger Rohstoff ist.

Besonders geeignete Standorte für Nachahmer der Anlage in Desibach befinden sich überall dort, wo es möglichst ganzjährig einen hohen Wärmeleistungsbedarf von mindestens ein paar hundert Kilowatt gibt. Beispielsweise bei grossen Wärmenetzen sowie insbesondere bei industriellen Prozessen, die viel Wärme brauchen.