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«Positiv ist der Fokus auf den Ausbau der e­rneuerbaren Energien»

Bis letzten Sommer hatten die verschiedenen Verbände und Organisationen Zeit, zur Revision des Energie­gesetzes Stellung zu nehmen. Im Vorschlag des Bundesrates ist vorgesehen, dass die Fördermassnahmen ­weitergeführt und diejenigen für grosse Photovoltaik­anlagen marktnäher ausgestaltet werden. Bis diese Anpassungen jedoch in die Tat umgesetzt werden, steht dem Energiegesetz ein langer und diskussionsreicher Weg im National- und Ständerat bevor. Bereits vor Beginn der Debatte haben wir Leo Müller, Nationalrat und Co-Präsident der Solar Agentur Schweiz, nach seiner Position zum neuen Energiegesetz gefragt.

Text: Alina Schönmann

Warum engagieren Sie sich als Co-Präsident für die ­Solar Agentur Schweiz?

Nur durch die Solarenergienutzung und Effizienzmass­nahmen im Gebäude- und Verkehrssektor sind die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichbar. Heute konsumieren wir in der Schweiz rund 250 TWh Energie pro Jahr. Die Hälfte dieser Energie wird vom Gebäudesektor verbraucht. Zusammen mit dem Verkehr verursacht diese Sparte mehr als drei Viertel der Schweizer CO2-Emissionen. Durch Minergie-P-Gebäudesanierungen können laut Bundesrat 80% der Energieverluste, also rund 90 TWh, pro Jahr reduziert werden. Gleichzeitig können auf den Dächern und teilweise auf den Fassaden nach Einschätzungen des Bundesrats rund 67 TWh Solarstrom pro Jahr produziert werden.

Der Solarpreis zeichnet einzelne, herausragende Solarprojekte aus. Damit die Ziele des Pariser Klima­abkommens erreicht werden können, braucht es allerdings einen grossflächigen Ausbau der erneuerbaren Energien. Wie gelingt dies?

Die Solar Agentur Schweiz möchte insbesondere energieeffiziente Mehrfamilienhäuser mit PlusEnergieBau(PEB)- Standard fördern. Diese Bauart erzeugt mehr CO2-freie Energie, als sie benötigt, und produziert weit mehr Solarstrom, als sie verbraucht. Mit den hohen Solarstromüberschüssen kann ein erheblicher Teil des terrestrischen Verkehrs emissionsfrei betrieben werden. Damit können die grössten Energiefresser, der Verkehrs- und der Gebäudesektor, in einem Schritt angegangen werden.

Bundesrat und Ständerat begrüssen die ­Harmonisierung der Steuerabzüge

Wer heute ein Haus baut und dabei noch nicht über das notwendige Kapital verfügt, um eine Investition in die erneuerbaren Energien zu tätigen, wird danach sicherlich weitere fünf Jahre auf eine solche Anlage verzichten. Der Grund liegt in der sogenannten Karenzfrist von fünf Jahren, die in vielen Kantonen vorgesehen ist. Erst nach dieser Zeitspanne können Investitionen in erneuerbare Energien am Neubau steuerlich abgezogen werden. Die Motion von SP-Ständerat Zanetti verlangt deshalb, dass diese Frist verkürzt und interkantonal harmonisiert wird. Damit können Eigentümer/innen unverzüglich mit dem Bau einer erneuerbaren Energieanlage beginnen. Für die öffentliche Hand entsteht dabei keine Schmälerung der Steuereinnahmen, weil die Investitionen mit einer Verzögerung sowieso getätigt würden. Der Bundesrat und der Ständerat haben dieser Motion bereits zugestimmt.

Mit der Revision des Energiegesetzes sollen die ­Investitionsbeiträge für Photovoltaikanlagen, Biomasse und Wasserkraft bis Ende 2035 verlängert werden. Wie stehen Sie zu den vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen?

Positiv ist, dass der Fokus sich auf den Ausbau der erneuerbaren Energien richtet. Leider werden die erneuerbaren Energien mit dem kleinsten Energiepotenzial am stärksten gefördert, was insgesamt gesehen wenig effizient ist. PEB-Wohn- und -Geschäftsbauten mit optimal integrierten Solaranlagen und dem grössten Solarstrompotenzial werden dagegen viel zu wenig gefördert. Ausserdem wird zu wenig Gewicht auf die Erneuerung der Konzessionen für die Wasserkraftwerke gelegt. In den nächsten Jahren müssen viele davon erneuert werden. Aufgrund der gesetzlichen Vorschriften ist dies allerdings eine Herausforderung. Die Erneuerung der Konzessionen muss aber unbedingt gelingen, um auch in Zukunft von der Wasserkraft profitieren zu können. 

Wie stehen Sie zu den vorgesehenen Auktionen der ­Einmalvergütung für grössere Solaranlagen?

Für die kleinen Photovoltaikanlagen ist die Einmalver­gütung ein gutes Instrument. Für Grossanlagen reicht das Förderinstrument allerdings nicht, weil diese über Jahre eine gewisse Sicherheit benötigen. Ich habe deshalb bereits mit einer parlamentarischen Initiative vor einem Jahr ein Ausschreibungsverfahren verlangt. Daher begrüsse ich den Vorschlag der Auktion.

Reicht es für die Erreichung der Ziele in der Energie­strategie aus, nur diejenigen Anlagen zu fördern, die am effizientesten Solarstrom produzieren können?

Wenn das Bundesparlament die Finanzmittel verstärkt KMU-freundlich in Richtung Minergie-P-Sanierungen und PEB einsetzt, können diese Ziele nicht nur erreicht, sondern deutlich übertroffen werden. Ich muss mich wiederholen: Wir müssen die 90 TWh pro Jahr Energieverluste im Gebäudesektor inkl. CO2-Emissionen für das ratifizierte Pariser Klimaabkommen reduzieren. Wenn das Bundesparlament die vom Volk 2017 beschlossenen CO2– und Energielenkungsabgaben wirklich effizient und gemäss dem Verhältnismässigkeitsprinzip einsetzt, kann die Schweiz das Ziel erreichen. Der Schlüssel liegt im Gebäudebereich.

Solardächer auf bestehenden Bauten

Mit einer Mitte März eingereichten Motion will der grüne Nationalrat Kurt Egger den Bundesrat beauftragen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit alle geeigneten Dächer und Fassaden von neuen und bestehenden Gebäuden mit Solaranlagen (Photovoltaik oder Solarwärme) ausgerüstet werden. Für bestehende Gebäude soll die Pflicht bei umfassenden Erneuerungen oder spätestens bis 2040 gelten. Das Potenzial an geeigneten Dächern und Fassaden sei vorhanden, begründet Egger seinen Vorstoss. Gemäss den Sonnendachdaten des BFE liegt dieses bei 65 TWh. Es ist damit fast doppelt so hoch wie die Zielwerte in den Energieperspektiven. Es gebe auch bereits Erfahrungen mit einer Solardachpflicht, da die MuKEn 2014 eine Eigenstrompflicht bei Neubauten vorsehen, so Egger weiter. Die MuKEn 2014 sind mittlerweile in zwölf Kantonen eingeführt. «Damit die vorhandenen Gebäudepotenziale genutzt werden können, braucht es zwingend mehr Anlagen bei bestehenden Bauten», so Egger.

Im September 2019 haben Sie eine Motion mit dem Titel «Landwirtschaft ersetzt CO2-frei die AKW» eingereicht. Inwiefern sehen Sie mit den vorgeschlagenen Änderungen des Energiegesetzes die Motion erfüllt?

Mit meiner Motion soll aufgezeigt werden, dass die Schweiz die preisgünstigste Solarenergie produzieren kann, wenn sie die Dächer der rund 50 00 bereits erschlossenen Landwirtschaftsbetriebe oder ähnlichen Bauten solar nutzt. Mit einer 80%igen Solarnutzung dieser Gebäude könnten in zehn Jahren die drei AKW Mühleberg und Beznau 1 und 2 durch CO2-freien Solarstrom ersetzt werden.

Seit etwas mehr als einem Jahr ist das Parlament neu zusammengesetzt. Welche Stossrichtungen erwarten Sie mit dieser neuen Zusammensetzung in Bezug auf das Energiegesetz?

Ich hoffe sehr, dass das Parlament sich vermehrt mit dem grössten Schweizer Energiepotenzial, den PEB-Gebäuden, befasst und endlich die riesigen Energieverluste reduziert. Das ist bei Weitem die preisgünstigste Energiewende. Damit können Gebäude und Verkehr, die heute rund 85% des Gesamtenergiebedarfs konsumieren, praktisch CO2-frei versorgt werden. Das wäre eine echte Energiewende, die auch das Pariser Klimaabkommen bis 2050 erfüllt.

https://www.fedlex.admin.ch/de/consultation-procedures/ended/2020#UVEK