
Die nationale Solarinitiative möchte den Solarausbau und damit die Energiewende vorantreiben. Bis zum 11. Dezember müssen die Unterschriften eingereicht werden. Angesichts des Rückgangs beim Solarausbau, aber leider auch der zunehmenden Widerstände gegen die Solarenergie, ist die Initiative nötiger denn je. Die Initiative soll auch helfen, die zahlreichen «Solarbremsen» zu lösen und eine Solaroffensive zu starten.
Text: Urs Scheuss
Die Idee zur nationalen Solarinitiative entstand vor etwas mehr als zwei Jahren. Der Ständerat schwächte damals im Stromgesetz den richtungsweisenden Beschluss des Nationalrats ab, wonach auf allen geeigneten Flächen bei Neubauten und Dachsanierungen Solaranlagen erstellt werden sollen. Diese Vorgabe sollte nur noch für neue grosse Gebäude ab einer Gebäudefläche von 300 m2 gelten. Damit bremste der Ständerat den angestrebten Solarausbau im Siedlungsraum aus.
Riesiges Potenzial auf Gebäuden und Infrastrukturen
Die GRÜNEN Schweiz reagierten auf den Entscheid mit der Ankündigung, eine Initiative zu prüfen, die die Regelung des Nationalrats aufnimmt und auf bestehende Bauten und Anlagen erweitert. Denn das Potenzial ist riesig. Gemäss einer Studie von Professor Christof Bucher von der Berner Fachhochschule gibt es auf den Schweizer Dächern, Fassaden und Infrastrukturen genug geeignete Flächen, um mehr als den gesamten heutigen Strombedarf des Landes mit Solarenergie zu decken. Realistisch betrachtet, könnten auf den Dächern jährlich 50 TWh, an den Fassaden 17 TWh und auf Infrastrukturen zwischen 9 und 11 TWh Strom produziert werden. Aktuell ist nicht einmal ein Zehntel davon ausgeschöpft.
In der Herbstsession 2023 folgte der Nationalrat dem Ständerat, und die GRÜNEN machten sich an die Ausarbeitung der nationalen Solarinitiative. Dabei konnten sie sich auf die damals bereits eingereichte Solarinitiative im Kanton Bern abstützen. Diese verlangte eine Änderung des Energiegesetzes, wonach auf neuen und bestehenden Bauten und Anlagen auf geeigneten Flächen Solaranlagen zu erstellen sind.
Am 11. Juni 2024 hat die Unterschriftensammlung begonnen. Bis zum 11. Dezember 2025 müssen die Unterschriften eingereicht werden. Drei Viertel der Unterschriften sind gesammelt. Es braucht noch einen Effort. Dieser Ausgabe liegt ein Unterschriftenbogen bei.
Auf jedes Dach eine Solaranlage
Konkret verlangt die Initiative, dass bei Neubauten und grösseren Umbauten geeignete Dächer, Fassaden und Infrastrukturen für die Produktion von erneuerbarer Energie genutzt werden, was vor allem auf die Nutzung von Solarenergie hinausläuft. 15 Jahre nach Annahme der Initiative soll diese Regelung auch für bestehende Bauten gelten. Der Bund kann und soll den Solarausbau weiterhin finanziell unterstützen. Die Initiative sieht zudem vor, dass in Fällen, in denen die Installation einer Solaranlage unverhältnismässig wäre, Ausnahmen gewährt werden sollen – etwa in Bezug auf den Denkmalschutz oder bei Härtefällen.
Die Einführung des Solarstandards, das heisst, dass die Ausstattung geeigneter Flächen auf Gebäuden und Infrastrukturen mit Solaranlagen zu einer Baunorm neben den bereits bestehenden wird, ist im Kommen. Wie erwähnt wollte der Nationalrat bereits im Stromgesetz festschreiben, dass bei Neubauten und erheblichen Um- und Erneuerungsbauten auf allen geeigneten Flächen Solaranlagen erstellt werden sollen. Im Kanton Genf wurde in einer Volksabstimmung vergangenen Mai eine solche Bestimmung im kantonalen Gesetz beschlossen. Im Kanton Bern wurde in der Volksabstimmung letzten Februar der Gegenvorschlag zur kantonalen Solarinitiative angenommen, die den Solarstandard bei Neubauten vorsieht. Und bei Dachsanierungen muss zumindest immer auch eine Offerte für eine Solaranlage eingeholt werden.
Solarbremsen lösen
Seit dem Sammelstart der Solarinitiative unmittelbar nach der Annahme des Stromgesetzes in der Volksabstimmung hat der Ausbau der Solarenergie einen regelrechten Einbruch erlitten. In der Solarbranche leeren sich die Auftragsbücher, die Unternehmen reduzieren ihren Betrieb. Der Photovoltaikzubau wird allen Prognosen nach im Vergleich zu 2024 deutlich schwächer ausfallen. Dabei bräuchten wir, um nur schon das vom Bundesrat bis 2030 anvisierte Zwischenziel von 19 TWh Photovoltaikstrom zu erreichen, eine Steigerung des Zubaus. Nötig wären 2 bis 2,5 GW pro Jahr. Selbst in den Spitzenjahren 2023 und 2024 waren wir deutlich unter 2 GW.
Anlässlich der Stellungnahme zur Vernehmlassung zu Änderungen von Verordnungen im Bereich des Bundesamts für Energie [1] identifizierte die SSES kürzlich verschiedene Faktoren, die den Solarausbau bremsen. Eine der Solarbremsen sind die Unsicherheiten bei der Umsetzung des Stromgesetzes. Aber nicht nur.
Zu den immer komplexeren Regulierungen kommt aus Sicht der SSES, dass die Verordnungen sich laufend ändern. Beides erhöht die Hürden für Investitionsentscheide zugunsten von Solaranlagen, denn wenn etwas kompliziert und unsicher ist, lassen die Leute lieber die Finger davon. Faire und stabile Einspeisevergütungen oder andere einfache Modelle für die Investitionssicherheit von Photovoltaikanlagen wären wirksame Mittel, den Schwung der letzten Jahre mitzunehmen und den Solarzubau weiter zu beschleunigen. Warum kompliziert, wenn es einfach geht?
Um die Solarbremsen zu lösen, braucht es aus Sicht der SSES eine Solaroffensive. Dazu gehört, dass sich Regulierungen an den Leitlinien Planungssicherheit, Rechtssicherheit, Investitionssicherheit und Einfachheit orientieren, damit mehr in den Solarausbau investiert wird. Dazu gehört auch, Investorinnen und Investoren bei der Administration mit einem «Guichet unique» oder «One-Stop-Shop» in den Gemeinden und bei den Verteilnetzbetreibern zu unterstützen, damit alle notwendigen bürokratischen Schritte an einer einzigen Stelle durchgeführt werden können.
Zu einer solchen Offensive gehört auch, dass sich die Förderung der Solarenergie nicht mehr am Eigenverbrauch orientiert. Solaranlagen müssen als Teil der gesamten Versorgungsinfrastruktur gesehen werden. Zum Beispiel soll nicht der Netzausbau problematisiert werden, sondern es sollen Lösungen für die Netzintegration der Solarenergie entwickelt und realisiert werden. Und nicht zuletzt gehört zu einer solchen Solaroffensive die Etablierung der Solararchitektur. Denn Solaranlagen sind in der Architektur immer noch oft ein Fremdkörper statt Teil der Baukultur. Fragen zur Solarenergienutzung sollen aber von Anfang an bei Bau- und Sanierungsprojekten in die Planung einfliessen.
Solarausbau wird sabotiert
Das Problem liegt aus Sicht der SSES aber auch noch tiefer. Regulierungen sind immer das Ergebnis gesellschaftlicher Entwicklungen und politischer Prozesse. Wer sich ein realistisches Bild der Zukunft der Energiewende machen will, muss beobachten, was heute in der Politik geschieht und wie die Diskurse verlaufen. Und hier zeichnet sich eine Sabotage des Solarenergieausbaus ab. Diese Sabotage beginnt dort, wo vom grössten Ausbaupotenzial – auf den Gebäuden und Infrastrukturen – abgelenkt wird. Aktuell ist nicht einmal ein Zehntel davon ausgeschöpft. Und in der Bevölkerung sind solche Solaranlagen breit akzeptiert.
Stattdessen verzettelt und zerstreitet sich die Politik. So etwa bei den Photovoltaikfreiflächenanlagen in den Alpen, wo sich inzwischen zeigt, dass einige Projektanten – vor allem im Wallis – offenbar nicht daran gedacht haben, dass der produzierte Strom irgendwie abtransportiert werden muss. Die Projekte sind zum Teil so schlecht, dass sie der Solarenergie schaden statt nützen. Und das ist Gift für den Solarausbau.
Denn inzwischen beobachten wir das Entstehen einer «Anti-Solar-Kampagne». Ihre Kampfbegriffe sind «Sommerstromüberschuss» und «Winterstrommangel». Dabei erzielen Solaranlagen im Mittelland auf Gebäuden und Infrastrukturen zwischen 25 und 30 Prozent ihrer Jahresproduktion im Winter. Zudem lassen sich Photovoltaikanlagen so einstellen, dass der relative Winteranteil erhöht wird, indem im Sommer die Leistung, die ins Netz gespeist werden könnte, nicht voll ausgeschöpft wird. Dadurch produzieren solche Anlagen im Winter auch im Mittelland maximale Rückspeiseleistung pro Kilowatt, ähnlich viel wie alpine Anlagen, ohne im Sommer das Netz zu überlasten. Es gibt auch schon entsprechende Vergütungsmodelle (TOP-40, FlexPV50 und andere). [2]
Und nicht zuletzt torpediert die erneute AKW-Debatte die Solarenergie, indem sie suggeriert, dass nur ein neues AKW uns vor «Strommangel» retten könne. Dabei sind AKW mit einem dezentralen System mit erneuerbaren Energien unvereinbar, bergen massive Sicherheitsrisiken und hinterlassen kommenden Generationen Umweltverschmutzung und gefährliche Abfälle, wie die SSES im Frühjahr in einem Positionspapier [3] gezeigt hat. Dass der Bundesrat der Initiative mit einem Gegenvorschlag entgegenkommt, ist verheerend.
Statt den Privaten und KMU, die gemäss Argumenten für das Stromgesetz 80 Prozent des Zubaus beisteuern sollen, Sicherheiten und einfache Instrumente zu geben, wird ihnen mit solchen Diskussionen signalisiert, dass sie nicht mehr in die Sonnenenergie investieren müssen und dass diese für die Energiewende nicht nötig, ja eigentlich schädlich ist.
Das ist der Boden, auf dem aktuell die künftige Energiepolitik gedeiht. Die Solarinitiative ist derzeit eines der wenigen politischen Projekte, die Gegensteuer geben. Und der einzige Vorschlag, der den Solarausbau weiter vorantreibt und sicherstellt, dass die Politik die Sonnenenergie nicht ignoriert. Die SSES unterstützt die Initiative.
Solarinitiative nötiger denn je
Würden die Rahmenbedingungen stimmen, wäre die Solarinitiative nicht nötig. Gäbe es Investitionssicherheit, einfache administrative Unterstützung beim Bau von Solaranlagen («Guichet unique») sowie netzdienliche Vergütungen und wäre Sonnenenergie Teil unserer Baukultur, würden die meisten Solaranlagen praktisch von selbst gebaut. Allerdings fehlt der politische Wille, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Oder anders ausgedrückt: Es braucht Druck, damit die Solaroffensive in Gang kommt.
Würde die Solarinitiative angenommen, wäre es ein Verfassungsgrundsatz, dass alle geeigneten Flächen auf Bauten und Anlagen für die erneuerbaren Energien genutzt werden. Das erhöht die Planungssicherheit massiv, denn damit verpflichtet sich das Land zum Solarausbau in den kommenden Jahrzehnten. Damit wird der Druck steigen, Solarstrom fair zu vergüten, Solarstrom ins Netz zu integrieren und Solarstrom von Anfang an beim Bauen einzubeziehen.
Und nicht zuletzt ist die Solarinitiative in der AKW-Debatte um die Blackout-Initiative die Bewahrerin der Energiewende. Die Initiative ist also nötiger denn je.
[2] https://www.sses.ch/de/studien-zur-netzintegration-interview-mit-christoph-bucher
[3] https://www.sses.ch/de/position-zu-akw