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Wachstum, Herausforderungen und Zukunftsimpulse im Selbstbau

Die diesjährige und somit 7. PV-Praxis Tagung im November verzeichnete erneut eine starke Teilnahme. Wie in der gesamten Solarbranche spüren auch die Selbstbaugenossenschaften die wachsende Nachfrage nach erneuerbaren Energien. Das ruft zwar grosse Freude hervor, stellt die Genossenschaften jedoch auch vor die Herausforderung, den steigenden Erwartungen gerecht zu werden. Neben den interessanten Vorträgen gab es ausreichend Gelegenheit für den Austausch untereinander.

Text: Linda Wachtarczyk

Am 11. November trafen sich 150 Teilnehmende in Spiez, um sich über die Photovoltaik auszutauschen. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt und die Gespräche waren lebhaft. Der Vormittag begann mit einem Update der Gründungsgenossenschaft mit der Selbstbauidee – Syril Eberhart von der E-Wende erklärte den Anwesenden, wie sich das Tagesgeschäft für sie verändert hat und erzählte über das stetige Wachstum ihrer Organisation. Im Jahr 2023 hat sich die Genossenschaft verdoppelt. Dieser massive Anstieg wird in den nächsten Jahren nicht angestrebt, da der Ausbau auch immer wieder personelle Ressourcen erfordert. Auch die anderen Selbstbaugenossen berichteten von der grossen Nachfrage, was an sich erfreulich ist.

Hin zur Energieautarkie

Nach dem Essen animierte Timo erneut das Publikum und leitete so zur Fortsetzung des Anlasses über. Andreas Kuhn von SolarManager hielt einen Vortrag über ihr Energiemanagementsystem. Dabei betont er, wie der Begriff des Eigenverbrauchs verpöhnt sei – den Eigenverbrauch kann man auch steigern, indem man einfach mehr Energie verbraucht. Sinnvoller sei es von der Energieautarkie zu sprechen, da man ja versucht den Verbrauch mit dem eigenen Strom so weit wie möglich zu decken. Um dies zu erreichen, sollten zuerst alle direkt verbrauchenden Geräte optimiert werden, bevor man über eine Speicherung nachdenkt. Auch die Planung und der Bau der PV-Anlage sollten grossflächig und sinnvoll erfolgen, um im Winter mehr Strom einspeisen zu können. Effizienzmassnahmen zur Minimierung des Energieverbrauchs sind ebenfalls wichtig.

Ein Blick auf den Mantelerlass

Lucia Grüter von VESE erklärte in ihrer kurzen Präsentation zum Mantelerlass, einem 38-seitigen Werk, welche Änderungen sich daraus für die PV ergeben werden. Der Mantel dieser Gesetzesrevisionen umhüllt das Stromversorgungsgesetz (StromVG), Energiegesetz (EnG), Raumplanungsgesetz und Waldgesetz. Der Mantelerlass zielt darauf ab, die Versorgungssicherheit zu stärken, erneuerbare Energien auszubauen, die Energieeffizienz zu stärken und innovative Gesetze zu schaffen. Neue Zielwerte von 35 TWh Erneuerbare (ohne Wasserkraft)  bis 2035, respektive 45 TWh bis 2050 wurden definiert. Eine minimale Einspeisevergütung soll zu einer besseren Planbarkeit der Investitionen beitragen – dies führte zu Diskussionen im Publikum, da erst mit der im Februar folgenden Verordnung klar wird, ob diese überhaupt einen finanziellen Anreiz für Anlagenbesitzende darstellt, bzw. kostendeckend sein wird. Ebenfalls eingeführt wird eine gleitende Marktprämie für Anlagen grösser 150 kWp ohne Eigenverbrauch, die voraussichtlich in Auktionen vergeben werden soll.

Eine weitere Neuerung innerhalb des Mantelerlass ist, dass Swissgrid ab 2025 die Kosten für  erzeugungsbedingte Verstärkungen von Anschlussleitungen und Netz ab Parzellengrenze und über 50 kW übernehmen wird. Dabei kann ein Maximum pro kWp festgelegt werden. Ab 2025 sollen auch  virtuelle ZEV (bis zur gemeinsamen Verteilkabine) und lokale Energiegemeinschaften innerhalb eines Netzgebietes möglich sein.

Die Definitionen sind im Mantelerlass allgemein noch relativ unpräzise formuliert. Die Details dazu werden in der Verordnung definiert, die im Februar publiziert wird. Deren Vernehmlassung wird einige Monate beanspruchen. VESE wird an der Vernehmlassung teilnehmen und sich für die Produzenten einsetzen.

Was hat der Strompreis mit dem Gaspreis zu tun?

Walter Sachs, der Präsident der SSES und VESE, erläuterte in seinem Vortrag die Verbindung zwischen dem Strompreis und dem Gaspreis. Zunächst ist es wichtig, den Unterschied zwischen dem physikalischen und dem bilanziellen Stromfluss zu verstehen. Während der physikalische Stromfluss direkt vom Erzeuger zum Verbraucher verläuft, nimmt der bilanzielle Stromfluss einen Umweg über Bilanzgruppen, bevor der Strom den Verbraucher erreicht. Die Bilanzgruppe stellt sicher, dass der Strom verrechnet wird und der Erzeuger ausreichend Strom zur Verfügung hat.

Die Merit-Order repräsentiert im kurzfristigen Stromhandel die Stromangebotskurve. Bei geringem Anteil erneuerbarer Energien beeinflusst der Gaspreis maßgeblich den Strompreis. Gasbetriebene Kraftwerke weisen in der Regel niedrigere variable Kosten im Vergleich zu anderen Technologien wie Kohle oder erneuerbaren Energien auf. Niedrige Gaspreise führen dazu, dass gasbetriebene Kraftwerke in der Merit-Order höher platziert werden, was bedeutet, dass sie häufiger eingeschaltet werden, um die Stromnachfrage zu decken. Wenn jedoch die Gaspreise steigen und Gas knapp wird, können gasbetriebene Kraftwerke in der Merit-Order nach unten rücken. In solchen Fällen werden kostengünstigere Optionen wie erneuerbare Energien oder Kernkraft bevorzugt.

Die gestiegenen Gaspreise führten im Jahr 2022 zu höheren variablen Kosten für die Stromerzeugung, was sich wiederum auf die Gesamtkosten der Stromerzeugung auswirkte. Dies lässt sich anhand verschiedener Grafiken veranschaulichen.

Wie viel Netzausbau brauchen wir?

Abschliessend erläuterte Christof Bucher aus dem Photovoltaiklabor der BFH die Möglichkeiten, PV auszubauen, ohne den Netzausbau zu 100 Prozent zu berücksichtigen. Der Ausbau des Netzes ist notwendig, aber muss wirklich der gesamte Strom einer Anlage eingespeist werden können? Bucher meinte, dass es bereits heute möglich wäre, dies mit Eigenverbrauch und Verriegelung im Wechselrichter technisch umzusetzen. Was jedoch technisch möglich ist, bedeutet noch nicht zwingend, dass es auch politisch umsetzbar ist. Der heutige Netzausbau ist nicht ausreichend reflektiert, und auch im Mantelerlass wird zu wenig Fokus auf die Netzanpassung gerichtet. Abregelungen müssten zugelassen und Anreize dafür geschaffen werden, nicht den gesamten Strom einzuspeisen.