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Bundesrat passt Energiegesetz nach Vernehmlassung nur marginal an

Foto: Beat Kohler

Die Rahmenbedingungen für den inländischen Zubau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien sollen verbessert und damit die Stromversorgungssicherheit in der Schweiz erhöht werden. Das geht aus der Vernehmlassung zur Revision des Energiegesetzes (EnG) hervor. Der Bundesrat hat diese Ergebnisse an seiner Sitzung vom 11. November 2020 zur Kenntnis genommen. Er hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beauftragt, die Revisionen des EnG und des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) zu einem Mantelerlass unter dem Namen «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» zusammenzuführen und ihm die entsprechende Botschaft bis Mitte 2021 vorzulegen.

Bundesamt für Energie

Stellungnahme der SSES

Die grundsätzliche Stossrichtung der angepassten Vorlage ist begrüssenswert, weist aber aus der Sicht der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie SSES Mängel auf. Besonders erfreulich ist, dass die Ziele für den Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien nach oben korrigiert wurden. Die SSES begrüsst auch, dass die finanzielle Unterstützung mittels Investitionsbeiträgen bis 2035 verlängert wird. Um den Schweizer Energiehaushalt zu dekarbonisieren, sind aber noch weitergehende Schritte dringend notwendig.

Die SSES bedauert daher sehr, dass der Bundesrat die Chance verpasst hat, das Energiegesetz den heutigen Erfordernissen anzupassen. Besonders enttäuschend ist, dass er zwar die Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien anpasst, aber nicht entsprechend wirksame Werkzeuge für diesen Ausbau schafft. So wird beispielsweise die Auktionen für grosse Photovoltaikanlagen so wie sie angedacht ist dazu führen, dass grosse und geeignete Dachflächen nicht genutzt werden, weil sie den Zuschlag in einer Auktion nicht erhalten.

Die SSES bedauert auch, dass der Bundesrat keine neuen Förderinstrumente wie gleitende Marktprämien in Betracht zieht. Denn damit könnte die auch vom Bundesrat als notwendig anerkannte Investitionssicherheit geschaffen werden, welche insbesondere auch für PV-Produktionsanlagen notwendig ist. Die SSES hofft, dass es in der parlamentarischen Behandlung der Vorlage hier noch Nachbesserungen geben wird.

Die Unterstützungsinstrumente für die erneuerbare Stromproduktion sind derzeit bis Ende 2022 und 2030 befristet. Der Bundesrat hat deshalb im Frühjahr eine Vorlage in die Vernehmlassung gegeben, mit der die Unterstützung verlängert und marktnäher ausgestaltet wird. Dieser Vorschlag ist in der Vernehmlassung mehrheitlich positiv aufgenommen worden. Dies gilt insbesondere für die Unterstützung der Photovoltaik mittels wettbewerblicher Ausschreibungen und die angestrebte Steigerung der inländischen Winterproduktion.

Teilweise unterschiedliche Vorstellungen gab es hinsichtlich der Form der Unterstützung. Eine Mehrheit unterstützt den Vorschlag des Bundesrates für Investitionsbeiträge. Verschiedentlich wurde die Einführung von auktionierten Einspeisevergütungen (gleitende Marktprämien) gefordert. Dies lehnt der Bundesrat aufgrund der damit verbundenen, höheren Kosten ab. In verschiedenen Rückmeldungen wird zudem ein technologieoffeneres Fördersystem gefordert, wobei auch fossile Kraftwerke zu berücksichtigen wären (Gaskraftwerke). Auch dies lehnt der Bundesrat ab, unter anderem, weil er im Hinblick auf seine Klimaziele erneuerbare Energieträger fördern will.

Bundesrat hält an den wesentlichen Inhalten fest

Der Bundesrat hält aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung an den wesentlichen Inhalten der Vorlage zur Revision des EnG fest. Mit der Revision will der Bundesrat die Rahmenbedingungen für die Strombranche verbessern und Planungssicherheit sowie bessere Investitionsanreize schaffen. Zu den wesentlichen Elementen der Vorlage gehören:

  • Ausbau der inländischen Stromproduktion aus erneuerbaren Energien inklusive Wasserkraft
  • Beibehalten des Deckels für den Netzzuschlag von 2.3 Rp./kWh für die Förderung der erneuerbaren Energien
  • Einführung von Auktionen für grosse Photovoltaikanlagen
  • Verlängerung der finanziellen Unterstützung mittels Investitionsbeiträgen bis 2035
  • Verzicht auf neue Förderinstrumente wie gleitende Marktprämien, da diese mehr Mittel benötigen würden

Bei der Revision des StromVG hält der Bundesrat an der vollständigen Strommarktöffnung fest. Haushalte und kleine Betriebe sollen in den freien Markt wechseln und auch wieder zur Grundversorgung zurückkehren können. Der Bundesrat verspricht sich von der Neugestaltung des Strommarkts eine Stärkung der dezentralen Stromproduktion und damit eine bessere Integration der erneuerbaren Energien in den Strommarkt. Die Grundversorgung besteht standardmässig aus Schweizer Strom aus 100% erneuerbaren Energien. Ebenfalls hält der Bundesrat an der Einführung einer Speicherreserve zur Absicherung gegen ausserordentliche Extremsituationen fest.

Der Bundesrat führt die Revision des EnG und des StromVG in einem Mantelerlass zusammen: Das «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» erhöht die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, integriert diese besser in den Strommarkt und stärkt die Versorgungssicherheit der Schweiz.

Die wichtigsten Anpassungen nach der Vernehmlassung

Nach der Vernehmlassung zur Revision des EnG hat der Bundesrat verschiedene Anpassungen der Vorlage und zudem eine Ergänzung im Bereich des StromVG vorgenommen.

  • Zielwerte zum Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien (EnG): Der Zielwert bis 2035 beträgt neu 17 Terawattstunden (TWh) (bisher 11.4 TWh). Für 2050 liegt der Zielwert bei 39 TWh (bisher 24.2 TWh). Die Zielwerte für den Ausbau der Stromproduktion aus Wasserkraft bleiben unverändert (37.4 TWh für 2035, 38.6 TWh für 2050).
  • Verbrauchsziele (EnG): Die Zielwerte für den durchschnittlichen Energieverbrauch pro Kopf bleiben unverändert bei -43% gegenüber dem Jahr 2000 bis 2035 und bei -53% bis 2050. Der Zielwert für den durchschnittlichen Stromverbrauch pro Kopf bleibt bis 2035 unverändert bei -13% gegenüber 2000. Aufgrund der für das Netto-Null-Ziel erforderlichen verstärkten Elektrifizierung wird der Zielwert für 2050 auf -5% reduziert (bisher -18%).
  • Unterstützung des Ausbaus der Speicherwasserkraft (StromVG): Zwecks Gewährleistung der langfristigen Stromversorgungssicherheit in den Wintermonaten soll ein spezifisch auf die Schweizer Situation zugeschnittenes Instrument eingeführt werden (siehe unten).

Massnahmen zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter

  1. Ausbau der Speicherwasserkraft bis 2040 um rund 2 TWh Winterstrom (StromVG): Die heutige Selbstversorgungsfähigkeit von rund 22 Tagen soll gewährleistet sein, auch nach dem Ausstieg aus der Kernkraft. Geeignete Speicherprojekte sollen spezifische Investitionsbeiträge erhalten. Diese werden mit einem zusätzlichen Zuschlag von 0.2 Rp./kWh finanziert. Eine Vorauswahl der in Frage kommenden Projekte soll unter Einbezug der betroffenen Stakeholder (Betreiber, Umweltverbände) und der Kantone erfolgen. Sollte das Ausbauziel von 2 TWh bis 2040 alleine mit der Grosswasserkraft nicht erreicht werden können, können Ausschreibungen für Kapazitäten aus anderen Technologien durchgeführt werden, die in kürzerer Frist realisierbar und ebenfalls sicher abrufbar und CO2-neutral sind.
  2. Rascher Ausbau der erneuerbaren Energien (EnG): Dies leistet auch im Winter einen bedeutenden (Basis-) Beitrag zur Versorgungssicherheit. Um die Ziele zu erreichen, erhalten Projektanten Beiträge an ihre Investitionen. Dabei können auch spezifische Kriterien zum Ausbau des Winterstroms vorgesehen werden. Die Beiträge werden von den Stromkonsumenten über den (bestehenden) Netzzuschlag finanziert.
  3. Einführung einer auktionierten Energiereserve zur Absicherung gegen ausserordentliche Extremsituationen (StromVG): Die teilnehmenden Kraftwerkbetreiber verpflichten sich, eine bestimmte Menge Energie zurückzuhalten (bspw. Wasser im Speichersee). Sie erhalten dafür ein Entgelt, welches die Stromkonsumenten über das Netznutzungsentgelt bezahlen.
  4. Ergänzend zu diesen Massnahmen soll der Ersatz der elektrischen Widerstandsheizungen beschleunigt werden. Diese verbrauchen im Winter rund 2.8 TWh Strom. Bei einem weitgehenden Ersatz durch Wärmepumpen könnten rund 2 TWh eingespart werden. Die Kantone sind daran, dieses Potenzial zu erschliessen.