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Die Energiewende kann nicht auf Solarwärme verzichten

Foto: Schweizer Solarpreis 2012

Wenn die Abkehr von Fossilen Brennstoffen gelingen soll, muss der Solarthermie im Bereich der Gebäudewärme wieder eine wichtigere Rolle zukommen, als dies in den letzten Jahren der Fall war. Dabei kann sich die Schweiz an Deutschland ein Beispiel nehmen, wo Solare Heizungen sowohl 2020 als auch im laufenden Jahr einen richtigen Boom erleben.

Text: Beat Kohler

«Die Solarthermie hat ein wenig ein Schattendasein gefristet in der letzten Zeit. Ich denke, das wird sich ändern», sagte Josef Jenni am 1. Energie-Wende-Kongress in den Räumlichkeiten seiner Firma Jenni Energietechnik in Oberburg. «Solarthermie ist, wenn es darum geht, Wärme zu erzeugen, deutlich effizienter», begründete er seine Voraussage, die auch immer breiter anerkannt werde. Im Moment sprechen die Zahlen in der Schweiz aber noch eine andere Sprache. Zudem spielt die Solarthermie beispielsweise in den Energieperspektiven 2050+ des Bundes offensichtlich eine untergeordnete Rolle. Dort wird sie lediglich im Zusammenhang mit der thermischen Regeneration von Erdsonden erwähnt. Dieser Bereich ist zwar auch aus Sicht von Swissolar ein wesentliches Einsatzgebiet. Solarthermie könnte aber auch noch zur Abdeckung des sommerlichen Wärmebedarfs von Nahwärmenetzen sowie für Anlagen zur Produktion industrieller Prozesswärme zum Einsatz kommen. Und natürlich ist das Potenzial zum Abdecken des Heiz- und Warmwasserbedarfs in Gebäuden noch längst nicht ausgeschöpft.

83 000 NEUE SOLARWÄRMEANLAGEN

2020 wurden rund 83 000 neue Solarwärmeanlagen in Deutschland installiert, gegenüber rund 71 000 im Vorjahr. In seinem seit 2005 vierteljährlich erhobenen Geschäftsklimaindex Solarthermie registrierte der deutsche Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) im ersten Quartal den höchsten Stand seit über zehn Jahren. Nach dem Absatzplus in Höhe von 26 Prozent im Jahr 2020 erwartet der BSW ein weiteres Anziehen der Nachfrage nach Solarheizungen im laufenden Jahr. Die Geschäftserwartung in der Solarbranche habe sich zuletzt weiter aufgehellt. Im ersten Quartal 2021 setzten die Hersteller 23 Prozent mehr Solarkollektoren ab als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Ursache des anhaltend hohen Interesses innerhalb der Bevölkerung sei ein gewachsenes Klimabewusstsein, die Einführung eines CO2-Preises auf fossile Energieträger sowie verbesserte Förderangebote für die Solarwärme. Insgesamt wurden in Deutschland nach BSW-Angaben inzwischen rund 2,5 Millionen Solarwärmeanlagen installiert. Zur Umsetzung der jüngst auf europäischer Ebene vereinbarten Klimaschutzverschärfungen sind nach BSW-Einschätzung jedoch deutlich stärkere Anstrengungen erforderlich. Die Solarisierung des Wärmesektors müsse bis zum Jahr 2030 mindestens verdreifacht werden, auf dann 45 GW. Die dafür notwendige Versiebenfachung der jährlich installierten solaren Heizleistung könne nur erreicht werden, wenn der Einsatz von Solarkollektoren nicht nur im Eigenheimsektor zusätzlich zur Photovoltaik weiter verbreitet werde, sondern auch im Bereich der Fern- und Prozesswärme zu einem leicht skalierbaren Geschäftsmodell werde. PD/Red.

Ausbau in der Schweiz geht zurück

Der Zubau von Sonnenkollektoren zur Wärmeerzeugung hat 2020 nach Einschätzung von Swissolar eine weitere Reduktion von rund 20 Prozent hinnehmen müssen. Wie Geschäftsführer David Stickelberger gegenüber energate präzisierte, wurden im vergangenen Jahr schätzungsweise 31 000 m² Kollektorfläche installiert. 2019 betrug die installierte Kollektorfläche also noch fast 39 000 m². Dies sei sehr bedauerlich, denn die Solarthermie müsse einen wesentlichen Beitrag zur zukünftigen fossilfreien Wärmeversorgung leisten, erklärt Swissolar. Die Studie «Machbar und zahlbar. Wärme 2050» der Wärmeinitiative Schweiz spricht davon, dass Solarwärme und Holzenergie unabhängig der Szenarien zusammen rund 20 Prozent des Energiemix 2050 einnehmen. In dieser Studie ist von einem Potenzial für die Solarthermie von über 10 TWh die Rede. Dabei nicht eingerechnet die Solarthermie, welche für die Regeneration von Erdwärmesonden eingesetzt würde. Wenn die Erdsonden bei der oberflächlichen Geothermie den Untergrund langsam auskühlen, dann wird der Wirkungsgrad dieser Sonden immer schlechter. Deshalb wird die Solarthermie dort immer wichtiger. Für Bauherren ist es sehr teuer, Erdsonden zu erstellen, und eine solche Investition muss sich langfristig lohnen. Deshalb haben Betreiber ein sehr hohes Interesse an einem nachhaltigen Betrieb. Die Studie «Erneuerbare- und CO2-freie Wärmeversorgung Schweiz» geht davon aus, dass eine Anlage mit Regeneration nachhaltig betrieben werden kann, wenn für den Wärmeentzug über der Limite von 3 kWh/m² gleich viel Wärme in die Erde zurückgespeist wie entnommen wird. Solarthermie wird dabei eine wesentliche Rolle spielen. «Mit Regeneration durch Solaranlagen beträgt das nutzbare Potenzial ausserhalb des Gewässerschutzgebietes je nach Szenario 31 bis 35 TWh pro Jahr und weitere rund 10 TWh innerhalb des Gewässerschutzgebiets», heisst es in dieser Studie. Wie massiv ein solcher Ausbau wäre, zeigt sich anhand der aktuellen Zahlen: Gemäss der Schweizerischen Statistik der erneuerbaren Energien produzierten Solarthermieanlagen im Jahr 2019 gerade einmal gut 0,7 TWh Heizenergie.

Sonnenwärme fristet zu unrecht Schattendasein

Ganz abgesehen von den neuen Einsatzgebieten sollte die Solarthermie beim direkten Einsatz zur Beheizung von Gebäuden mehr Beachtung finden. Solarwärme ist dafür eine sehr effiziente Lösung, deren Preis oft als zu hoch dargestellt wird. So hat beispielsweise der Hauseigentümerverband im Abstimmungskampf zum CO2-Gesetz Kostenschätzungen mit überteuerten Solarthermieanlagen mit minimalem Ertrag präsentiert, wie casafair aufzeigte. Falsche Grundannahmen können das Bild aber nicht nur in einem politisch motivierten Einzelfall verfälschen. Legt man den Annahmen zur Wärmenutzung in Gebäuden ein realistisches Nutzerverhalten zugrunde, dann zeigt dies, dass Solarthermieanlagen wesentlich profitabler sind, als bisher oft angenommen. Das hat eine Studie des SPF Institut für Solartechnik gezeigt, die im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde. Heute werde in Simulationen und Berechnungen oft ein idealisiertes Nutzerverhalten eingesetzt, das von einer Raumtemperatur von 21 °C ausgehe, schreiben die Autoren der Studie «SolSimCC» des SPF. Zudem führe ein idealisiertes Lüftungs- und Verschattungsverhalten zu einem relativ geringen Heizwärmebedarf in den Übergangsmonaten. «Feldstudien haben jedoch gezeigt, dass dies nicht dem realen Nutzerveralten, respektive dem gemessenen Wärmebedarf entspricht. Die Schweizer und Schweizerinnen mögen eher 23 °C warme Räume, und gerade in den Übergangsmonaten verschatten sie die Fenster mehr und lüften – bewusst oder unbewusst – auch mehr als bisher angenommen», machen die Autoren der Studie klar. Setze man nun anstelle der bisher verwendeten, idealisierten Verhaltensmuster ein realistischeres Nutzerverhalten ein, so ergebe dies einen höheren Bedarf für die Gebäudeheizung in den Übergangsmonaten. Dies erhöht klar den Ertrag und die Profitabilität der solarthermischen Raumwärmeunterstützung. Gemäss dem SPF gibt es aber noch andere Faktoren, die sich künftig positiv auf die die Profitabilität der Solarthermie auswirken. Wenn das Netto-Null-Ziel des Bundes tatsächlich erreicht werden soll, dann muss Erdgas ersetzt werden, sei es durch Biogas oder Syngas. «Diese erneuerbaren Gase sind jedoch – Stand heute – etwa 50–60 % teurer als Erdgas. Im Vergleich zu diesen erneuerbaren Energieträgern ist die Solarthermie kostenmässig klar im Vorteil», stellen die Studienautoren fest. In Deutschland kämpft das Wissensportal solarthermie-jahrbuch.de gegen das Vorurteil, dass sich Solarwärmeanlagen nicht rentieren. «Langfristig macht sich die Investition in eine Solarwärme-Anlage nämlich bezahlt. Egal, ob die Solarthermie Öl bei der Ölheizung, Gas bei der Gasheizung, Pellets bei der Pelletsheizung oder Strom bei der Wärmepumpenheizung einspart: Die Einsparung an Brennstoffkosten sorgt dafür, dass sich die Solarwärme-Anlage je nach Anlagengröße in 11 bis 16 Jahren amortisiert», stellt Autor Jens Peter Meyer fest. Das entspreche einer Rendite von 2,8 bis 6,9 Prozent. In dieser Berechnung des deutschen Bundesverbandes Solarwirtschaft sind keinerlei Fördermittel berücksichtigt. In der Renditerechnung gehen die Experten von einer Lebensdauer der Solarwärme­anlage von 20 Jahren aus. Solarkollektoren und Wärmespeicher bleiben in der Realität aber deutlich länger im Einsatz, was die Rendite weiter nach oben treibt.

Europa schreitet beim Ausbau voran

Trotz all dieser Vorteile stagniert zumindest in der Schweiz der Markt mit der Solarwärme, was die eingangs erwähnte Zuversicht von Solarpionier Josef Jenni auf den ersten Blick vielleicht unverständlich erscheinen lässt. Er exportiert aber viele seiner Produkte in den deutschen Markt, was die Einschätzung in ein anderes Licht rückt (siehe Kasten). Deutschland ist der grösste Markt für Solarwärme in Europa. Insgesamt wächst der europäische Solarwärmemarkt im Gegensatz zur Situation in der Schweiz. 2019 betrug das Wachstum gemäss Solar Heat Europe / ESTIF gegenüber dem Vorjahr 3,4 Prozent, was über 2 270 000 m² installierter Solarthermiekollektoren entspricht. Ende 2019 erreichte die gesamte installierte Solarthermiekapazität 37 GWth, was einer Gesamtfläche von 52 900 000 m² entspricht. Und die Solarwärmeindustrie will den Ausbau weiter beschleunigen. Sie hat nach der Verabschiedung des grünen Konjunkturpakets (Green Recovery Package) durch den Europäischen Rat Mitte 2020 einen Aufruf an politische Entscheidungsträger in den EU-Mitgliedsstaaten lanciert. Der Aufruf wurde von 150 Unternehmen und Organisationen aus 20 europäischen Ländern, unterzeichnet. Auch Swissolar unterzeichnete den Aufruf stellvertretend für die Schweizer Solarthermiebranche. Darin machte die Branche die Politik darauf aufmerksam, dass die nächsten zehn Jahre entscheidend sein werden, um den Wärmemarkt zu transformieren und zu dekarbonisieren. «Wir werden bis 2030 solarunterstützte Heizsysteme für Privathaushalte, Gewerbe und Industrie benötigen, da alle danach installierten Systeme höchstwahrscheinlich auch 2050 noch in Betrieb sein werden und den Klimazielen im Weg stehen», schrieb Swissolar damals.

Vorteile der Solarwärme sind unbestritten

Völlig unbestritten sind die Klima- und die Umweltfreundlichkeit der Solarwärme. Solarwärmeanlagen bestehen aus langlebigen Materialien, die sich problemlos recyceln lassen. Auch ihre Effizienz ist enorm. Während Wärmepumpen Leistungszahlen zwischen 3,5 und 5,5 erzielen, liegen diejenigen von Solarthermieanlagen gut zehnmal höher. Diese Vorteile gilt es zu nutzen. Expertinnen und Experten sind sich einig: Die Gewinnung von Wärme durch die Sonne spielt eine wichtige Rolle für die Energiewende. Neben der Photovoltaik muss sie einer der tragenden Pfeiler sein, wie auch Josef Jenni am Energie-Wende-Kongress aufzeigte. Doch wie auch bei der Photovoltaik ist auch hier die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen für die Sonne auch in diesem Bereich zu verbessern. Damit in der Schweiz der für die Wärmewende notwendige Ausbau auch tatsächlich erreicht werden kann, braucht es aus Sicht von Swissolar eine Förderung für Solarthermieanlagen von Bund und Kantonen. Dafür wird es politisch noch einige Aufklärungsarbeit brauchen.

www.solarthermie-jahrbuch.de