SubPagesTopPicture

Erste industrielle Power-to-Gas-Anlage feierlich eingeweiht

Das Limmattaler Regiowerk Limeco hat in Dietikon die erste industrielle Power-to-Gas-Anlage der Schweiz realisiert. Dies in Zusammenarbeit mit acht Schweizer Energieversorgern und Swisspower. Die Projektpartner wollen mit der Anlage den Beweis antreten, dass Power-to-Gas-Anlagen in grossem Massstab funktionieren und damit einen Beitrag zur Versorgung des Landes mit erneuerbarem Gas leisten ­können.

Text: Beat Kohler

Der 29. April war ein grosser Tag für alle Beteiligten: Sie konnten in Anwesenheit des Zürcher Regierungsrats Martin Neukom und von Benoît Revaz, Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE), in Dietikon die erste industrielle Power-to-Gas-Anlage der Schweiz einweihen. Mit einer Elektrolyseleistung von 2,5 Megawatt (MW) produziert sie rund 18 Gigawattstunden (GWh) synthetisches erneuerbares Gas pro Jahr. Dank der Anlage lassen sich gemäss den Projektverantwortlichen jährlich bis zu 5000 Tonnen CO2-Ausstoss vermeiden.

Eckwerte

Standort: Limeco, Dietikon

Leistung (Elektrolyse): 2,5 MW oder 450 m³ Wasserstoff pro Stunde

Strombezug aus der KVA:
10 00 bis 15 00 MWh pro Jahr

Verwendetes Klärgas: 1,8 Mio. m³ pro Jahr

Geplante jährliche Produktion:
ca. 18 GWh erneuerbares Gas

CO2-Reduktion: 4000 bis 5000 t pro Jahr

Mehr Unabhängigkeit erreichen

«Es ist entscheidend, dass die Schweiz unabhängiger wird von ausländischem Erdgas», sagte BFE-Direktor Benoît Revaz an der Einweihungsfeier. «Die Power-to-Gas-Anlage zeigt, dass inländische Produktion von erneuerbarem Gas möglich ist.» Nationalrat Eric Nussbaumer (SP) unterstrich: «Power-to-Gas leistet nicht nur einen Beitrag zur Klimaneutralität, sondern auch zu einer verantwortungsvollen Wirtschaftspolitik.» Für den Zürcher Regierungsrat Martin Neukom zeigt die Anlage, wie fortschrittlich der Kanton Zürich ist: «Wir wollen bis 2040 klimaneutral sein. Limeco und ihre Partner beweisen, dass dies machbar ist – auch dank innovativer Technologien wie Power-to-Gas.»

Power-to-Gas ermöglicht Speicherung von erneuerbarer Energie

Die Anlage leistet einen Beitrag zum Umbau des Schweizer Energiesystems. Die Energiestrategie 2050 sieht vor, den Strom aus der Kernkraft durch Solar-, Wasser- und Windkraft zu ersetzen. Damit wird künftig im Sommer viel mehr Strom produziert als verbraucht. Im Winter hingegen, wenn der Energiebedarf grösser ist, muss die Schweiz Strom importieren. Power-to-Gas ist für das BFE eine Schlüsseltechnologie, um überschüssigen erneuerbaren Strom saisonal zu speichern. Erbauerin und Technologielieferantin der Anlage in Dietikon ist die bayerische Hitachi Zosen Inova Schmack GmbH (HZI Schmack), ein Tochterunternehmen der Hitachi Zosen Inova AG. In der neuen Power-to-Gas-Anlage wird der erneuerbare Strom aus der KVA genutzt, um mittels Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten. Dieser Wasserstoff wird in einem zweiten Prozessschritt zusammen mit Klärgas aus der ARA in den Methanisierungsreaktor von HZI Schmack gespeist. Im eigenentwickelten Verfahren wandeln Mikroorganismen in diesem Bioreaktor Wasserstoff und das im Klärgas enthaltene CO2 unter anaeroben Bedingungen in Methan (CH4) um. Einzigartig an diesem Projekt ist, dass das Klärgas, das aus Methan, Kohlenstoffdioxid und Spuren weiterer Gase besteht, unbehandelt in den Methanisierungsreaktor eingebracht wird. In diesem geschlossenen System sei ein emissionsfreier Betrieb ohne Methanverlust von der Vergärung bis zur Einspeisung möglich, versprechen die Betreiber. Das Methan wird im Anschluss gereinigt und kann als CO2-neutraler Erdgasersatz ins lokale Gasnetz eingespeist werden.

Der Elektrolyseur wurde mittels Kran durch das
Dach in die Anlage in Dietikon gebracht. Foto: Limeco/Beni Basler

Der industrielle Massstab ist neu

Bei der Anlage in Dietikon handelt es sich nicht mehr um eine Forschungs- oder Versuchsanlage. Dies im Unterschied zu den anderen Anlagen, die in der Schweiz bisher gebaut wurden. «Diese Produktion ist integriert in die industriellen Abläufe der Kehrichtverwertungsanlage und wird in einem realen Umfeld dauerhaft genutzt», führt Thomas Peyer, Senior Consultant bei Swisspower, aus. Trotz dem industriellen Charakter stehe die Anlage aber immer noch eine Stufe unter dem Markteintritt. Es gehe darum, in einem realen Betrieb die Funktionen zu testen. Verglichen mit den rund 500 GWh Biogas, die in der Schweiz aktuell produziert werden, machen die 18 GWh der Anlage in Dietikon noch einen verhältnismässig kleinen Anteil aus. Es gehe aber jetzt darum die Technologie zur Reife zu bringen, damit sie künftig für den Einsatz bereitstehe, erklärt Thomas Peyer. Das Hauptaugenmerk müsse aber aktuell ganz klar auf dem Ausbau der Photovoltaik liegen. Damit die Wasserstofftechnologie dereinst tatsächlich die Überproduktion von PV-Anlagen im Sommer nutzen könne, müsse die Produktionskapazität der Photovoltaik zuerst noch massiv steigen. Peyer rechnet vor, dass bei einem Überschuss von 30 TWh rund 10 bis 15 TWh erneuerbares Gas hergestellt werden könnte, also rund die Hälfte des heute in der Schweiz verbrauchten Erdgases.

Kooperation vieler Partner

Limeco

Limeco ist Bauherrin und Betreiberin der Power-to-Gas-Anlage. Als Regiowerk in Dietikon versorgt Limeco das Limmattal mit klimafreundlicher Energie. Dafür betreibt sie ein grosses Fernwärmenetz, das in den nächsten Jahren weiter stark ausgebaut wird, sowie eine Abwasserreinigungs- und eine Kehrichtverwertungsanlage.

 

Kooperationspartner

Acht Schweizer Energieversorger finanzieren die Power-to-Gas-Anlage, indem sie die Zertifikate für das produzierte grüne Gas kaufen und ihren Kundinnen und Kunden so synthetisches erneuerbares Gas aus der Schweiz liefern.

Kooperationspartner sind: Eniwa AG, Energie Zürichsee Linth AG, St. aller Stadtwerke, Energie Wasser Bern, Gas- und Wasserversorgung Dietikon, Gas- und Wasserversorgung Schlieren, SWL Energie AG, Industrielle Betriebe Interlaken.

 

Swisspower AG

Swisspower, die strategische Allianz von 22 Schweizer Stadtwerken und regionalen Unternehmen der Versorgungswirtschaft, ist Mitinitiantin und Beraterin in der Realisierung des Vorzeigeprojekts. Es steht im Einklang mit dem Masterplan 2050, der gemeinsamen Vision der Allianzpartner für eine vollständig erneuerbare Energieversorgung ohne CO2-Emissionen.

Eine Investition in die Zukunft

Zusammen mit Limeco geht Swisspower jetzt frühzeitig einen Schritt in die Zukunft, um dereinst bereit zu sein. «Die Kehrichtverwertungsanlage produziert Bandlast», erklärt Peyer. Wenn nun ein Stromüberangebot im Netz herrscht, kann der produzierte Strom für die Elektrolyse eingesetzt werden, anstatt ihn billig zu verkaufen oder gar für die Abnahme bezahlen zu müssen. Da in der Kehrichtverbrennung bei einem Stromüberangebot im Netz nicht einfach die Müllverbrennung gestoppt werden kann, gibt die Elektrolyse dem Werk zusätzlich Flexibilität. «Ohne die Elektrolyse hat die Kehrichtverwertungsanlage diese Möglichkeit für den Eigenverbrauch nicht», so Peyer. Die Anlage, die den Stand der Technik darstellt, soll jetzt in einem realen, industriellen Umfeld geprüft werden. Eingesetzt werden sogenannte PEM-Elektrolyseure. Bei der Proton-Exchange-Membrane(PEM)-Elektrolyse wird eine Protonenaustauschmembran aus einem Festpolymer verwendet, die von Wasser umspült wird. Wird an die Membran elektrische Spannung angelegt, wandern Protonen durch die Membran. An der Kathode entsteht Wasserstoff, an der Anode Sauerstoff. «Der grosse Vorteil dieser Technologie ist, dass sie sowohl unter Voll- als auch unter Teillast gut funktioniert», erklärt Peyer. Damit kann die Wasserstoffproduktion wirklich flexibel eingesetzt und auf den im Netz vorhandenen Strom abgestimmt werden. «Limeco kann so zukünftig auch Systemdienstleistungen für die Swissgrid zur Verfügung stellen», so Peyer.

Idealer Knotenpunkt für die Produktion

Mit der Wasserstoffproduktion ergibt sich am Standort in Dietikon noch ein weiterer Vorteil: «Kehrichtverwertungsanlage und Abwasserreinigungsanlage liegen direkt nebeneinander. Darum hat Limeco perfekte Voraussetzungen, um grünes Gas zu produzieren», erklärt Stefano Kunz, Verwaltungsratspräsident von Limeco und Stadtrat von Schlieren. Der produzierte Wasserstoff wird mit dem CO2 im Klärgas gemischt, wodurch in einem biologischen Methanisierungsprozess erneuerbares Methangas entsteht. Aus Abfall und Abwasser gewinnt Limeco so einen erneuerbaren Energieträger, der in das bestehende Gasnetz eingespeist wird. Könnte das CO2 nicht so verwendet werden, müsste es entsorgt und eingelagert werden, um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen. «Dereinst können wir auch das CO2 aus der Verbrennung des Abfalls abscheiden und verwenden», führt Peyer aus. Der Standort mit einer Kehrichtverwertungsanlage, einer Kläranlage sowie dem Anschluss ans Gas- und Wärmenetz ist also ideal und bietet grössere Flexibilitäten als andere Standorte. Swisspower hat in der ganzen Schweiz fünf Standorte ausgemacht, die sich gleichermassen für eine Wasserstoffproduktion wie in Dietikon eignen würden. Auch dort gibt es eine Kehrichtverwertung, die Bandlaststrom produziert, CO2 aus einer Kläranlage und Einspeisepunkte für das Gas- und Fernwärmenetz.

Anerkennung als Speicher fehlt (noch)

Unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen sind diese Standorte ideal, weil beim für die Elektrolyse eingesetzten und vor Ort produzierten Strom keine Netzabgaben anfallen. Technisch spielt es keine Rolle, ob der Strom für die Elektrolyse vor Ort oder weiter entfernt produziert wird. So lange aber bei der Elektrolyse die Netzkosten anfallen, kann die Wirtschaftlichkeit nicht erreicht werden. Würde Power-to-Gas als chemischer Speicher gleich behandelt wie Pump­speicher­kraftwerke, die von der Netzabgabe befreit sind, könnte die Elektrolyse leicht räumlich von der Stromproduktion getrennt werden. Weitere gute Standorte für die Produktion von erneuerbarem Gas kämen dann infrage. In der Schweiz gibt es gemäss einer Studie des Bundesamts für Umwelt rund 100 Kläranlagen, die als CO2-Quellen dienen können. Zudem sind nebst Dietikon 29 weitere Kehrichtverbrennungsanlagen aktiv. Auch das hier anfallende CO2 muss entsorgt werden. Aktuell wird CO2 zum Beispiel in Island in den Boden gepumpt, wo es sich mit Gestein verbindet. Standorte, an denen das CO2 in der Schweiz so entsorgt werden könnte, gibt es noch nicht. Mit der Umwandlung des CO2 in erneuerbares Methangas mithilfe von Wasserstoff könnte dieses Problem gelöst werden. Die Entsorgungskosten stehen hier den Kosten der Verwertung des CO2 in der Schweiz gegenüber. Wenn das Netto-null-Ziel bis 2050 erreicht werden soll, dann wäre eine Verwertung in der Schweiz sicher sinnvoll und müsste zeitnah umgesetzt werden. Vorerst will Swisspower jetzt während eines Jahres mit der Anlage in Dietikon Erfahrungen sammeln. Es soll sich zeigen, wie gross der Gewinn an Flexibilität im Gesamtsystem ist und wie viel Regelleistung mit der Elektrolyse vorgehalten werden kann. Die industriell angelegte Elektrolyse soll danach weiterproduzieren. «Die Anlage ist auf 15 Jahre ausgelegt», erklärt Peyer. Doch bereits Mitte des nächsten Jahres will man erste Schlüsse aus dem Betrieb ziehen und nächste Schritte planen.

Starke Partnerschaft und Unterstützung durch den Bund

Das Vorzeigeprojekt wird ermöglicht dank den acht Schweizer Energieversorgern, die als Gasabnehmer die Investitionen von rund 14 Millionen Franken mitfinanzieren: Eniwa AG, Energie Zürichsee Linth AG, St. Galler Stadtwerke, Energie Wasser Bern, die Gas- und Wasserversorgungen von Dietikon und Schlieren, SWL Energie AG und Industrielle Betriebe Interlaken. Über Zertifikate erwerben sie den ökologischen Nutzen des Gases und verkaufen ihn am Ausspeisepunkt an ihre Endkunden. Mit der Hitachi Zosen Inova Schmack GmbH und Siemens Energy AG sind zudem Spezialistinnen für die Verfahrenstechnik und die verschiedenen Komponenten des Power-to-Gas-Prozesses an Bord. «Die neue Anlage zeigt, dass die Stadtwerke nicht nur von der Energiewende sprechen, sondern mit viel Kraft vorausgehen», sagte Ronny Kaufmann, CEO der Stadtwerke-Allianz Swisspower, die das Projekt mitinitiiert hat. Das BFE unterstützt das Projekt im Rahmen seines Pilot- und Demonstrationsprogramms, auch wird das Projekt durch das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich gefördert.

www.powertogas.ch