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«Es gilt das Prinzip der Gleichbehandlung»

Grafik: vese.ch

Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) hat jüngst eine Verfügung über die gesetzlichen Grundlagen zur Höhe der Rückliefertarife für Strom aus unabhängiger Produktion publiziert. In einem Gastkommentar beim energate messenger fasst Walter Sachs, Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie (SSES) und deren Fachgruppe Verband Unabhängiger Energieerzeuger (VESE), die Verfügung zusammen. Zudem zeigt er auf, was sie für die Stromversorger und die Energiewende bedeutet.

Walter Sachs

Solaranlagen ohne Eigenverbrauch werden vor allem über die Rückliefertarife amortisiert. Diese sind für die Betreiber grosser Solaranlagen ohne signifikanten Eigenverbrauch ein, wenn nicht das entscheidende, Kriterium für den Bauentscheid – denn diese entscheiden über Wirtschaftlichkeit oder eben Nicht-Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage. Doch leider sind diese Rückliefertarife alles andere als stabil – weder kurzfristig noch langfristig.

Und bis anhin waren auch einige wenige Netzbetreiber der Ansicht, dass für die Bemessung der Höhe des Rückliefertarifs der Marktpreis für Graustrom entscheidend sei und nicht, wie in der Energieverordnung (EnV) vorgesehen, die „Gestehungskosten der eigenen Produktionsanlagen“. Diese Netzbetreiber stellten sich auf den Standpunkt, dass die Verordnung nicht die Aussagen des zugehörigen Energiegesetzes (EnG) widerspiegeln würde.

  • Im EnG steht: (die Vergütung richtet sich nach den) „… vermiedenen Kosten des Netzbetreibers für die Beschaffung gleichwertiger Elektrizität.“
  • Die zugehörige Energieverordnung, welche das Gesetz präzisiert und Ausführungsbestimmungen enthält, konkretisiert wie folgt: (die Vergütung richtet sich nach den) „… Kosten des Netzbetreibers für den Bezug gleichwertiger Elektrizität bei Dritten sowie den Gestehungskosten der eigenen Produktionsanlagen.“

Und genau diese Frage, ob die Verordnung das Gesetz konkretisiert (was zulässig wäre) oder aber „dem Bürger neue, nicht schon aus dem Gesetz folgende Pflichten auferlegen würde“, musste die Elcom jetzt klären. Konkret ging es um zwei Kleinwasserkraftwerke, bei denen der Netzbetreiber angekündigt hatte, den Rückliefertarif ab 2020 quartalsweise und marktnah, d.h. an den Marktpreisen orientiert, auszugestalten. Dagegen hat der Betreiber der Wasserkraftwerke Beschwerde bei der Elcom erhoben.

Die Elcom hat sich die Beantwortung dieser Frage nicht einfach gemacht: so wurde das Energiegesetz, ganz den juristischen Lehrbüchern entsprechend, grammatikalisch, systematisch, historisch, teleologisch und zeitgemäss ausgelegt. Das Ergebnis dieser Auslegung ergab: „Zusammengefasst sind für die Bemessung der vermiedenen Kosten für die Beschaffung gleichwertiger Energie im Sinne von Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe 1 EnG sowohl die Kosten für den Bezug von Elektrizität bei Dritten als auch die Gestehungskosten eigener Produktionsanlagen zu berücksichtigen.“ Daraus ergibt sich, dass die Verordnung gesetzeskonform ist – denn sie konkretisiert lediglich das Gesetz, legt dem Bürger aber keine neuen Pflichten auf, in den Worten der Elcom-Verfügung: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Artikel 12 Absatz 1 EnV gesetzeskonform ist und bei der Bemessung der Rückliefervergütung die Gestehungskosten der eigenen Produktionsanlagen berücksichtigt werden müssen.“

Was folgt nun daraus für die Stromversorger?

Für Netzbetreiber ohne eigene oder einer Produktion kleiner ihrem Absatz ändert sich gar nichts – denn diese können die Rücklieferungen komplett in der Grundversorgung absetzen.
Für Stromversorger mit einer Produktion, welche grösser als ihr Absatz ausfällt, bedeutet dies, dass sie ihre eigenen Anlagen genauso wie die Anlagen von Dritten behandeln müssen – zumindest im Sinne der Vergütung des Stroms. Es spielt also keine Rolle, in wessen Eigentum sich eine Produktionsanlage befindet. Es gilt das Prinzip der Gleichbehandlung.

Was bedeutet dies nun für die Energiewende?

Der neue Elcom-Entscheid ist ein grosser Schritt hin zu „gleichlangen Spiessen bei der Produktion“: egal ob der Netzbetreiber oder Private produzieren, sie müssen gleich behandelt werden. Und dies ist auch gut so – denn für das Gelingen der Energiewende werden wir alle Kräfte brauchen. Nur, wenn alle zusammenarbeiten, die Netzbetreiber, Solargenossenschaften, institutionelle Investoren und Private, werden wir den notwendigen Umbau der Energieversorgung schaffen.
Denn dazu benötigt es eine Verfünffachung der jetzigen Zubauraten im Solarbereich. Und in diesen Dimensionen kann man Solaranlagen nicht nur mit Hilfe des Eigenverbrauchs amortisieren. Das gilt speziell für grosse Dächer von Lagerhallen oder Landwirtschaftsbetrieben ohne signifikanten Eigenverbrauch. Genau diese Anlagen haben aber mit der jetzigen Gesetzgebung einen schweren Stand. Denn deren Investitionsrisiko ist aufgrund der kurz- wie langfristig instabilen Rückliefertarife nicht abschätzbar.

Wir vom Verband der Unabhängigen Energieerzeuger VESE laden alle Netzbetreiber, Kommunen, Verbände und Politiker*innen herzlich ein, gemeinsam die optimalen Voraussetzungen für eine schnelle Energiewende zu schaffen. Wer weiss, vielleicht ergibt sich eine Art „Solargipfel“ als Startschuss für „Big Solar“ – denn eines ist sicher: die Energiewende, ein Generationenprojekt, wird nur gelingen, wenn wir alles zusammenarbeiten – und sie ist das grösste Geschenk, welches wir unseren Kindern machen können.

PS: Das „Geschenk“ wäre gar nicht einmal so teuer: je nach Schätzungen wird mit Investitionskosten zwischen 50 und 80 Mrd. Franken gerechnet. Dies bei einem Nationalbankgewinn von ca. 49 Mrd. Franken im Jahre 2019.