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Der lokale Strommarkt Walenstadt erreicht seine Ziele

Der erste lokale Strommarkt in Walenstadt ist seit einem halben Jahr erfolgreich in Betrieb. Die Erfahrungen der letzten sechs Monate: 30 Prozent höherer Eigenverbrauch des Quartiers, stabiles System und engagierte Nutzer.

Pressedienst

36 Haushalte und ein Altersheim handeln im Projekt «Quartierstrom» seit Anfang Jahr Solarstrom, der innerhalb der Gemeinschaft produziert wurde. Abgewickelt wird dieser lokale Strommarkt über eine Blockchain. Im Juni konnte die Gemeinschaft in Walenstadt ihren Strombedarf zu 47 Prozent selbst decken, in den Vormonaten lag dieser Anteil bei 30 bis 40 Prozent. Die angeschlossenen Prosumenten verbrauchten 25 bis 40 Prozent ihrer Produktion im eigenen Haushalt, 20 bis 30 Prozent verkauften sie in der Nachbarschaft. «Dank ‹Quartierstrom› lag der Eigenverbrauch der Gemeinschaft als Ganzes 20 bis 30 Prozent höher als beim klassischen Eigenverbrauch der einzelnen Prosumenten», freut sich Christian Dürr, Leiter der Wasser- und Elektrizitätswerke Walenstadt (WEW).

Zufriedene Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Überraschend ist die hohe Aktivität der Teilnehmenden. Über ein Webportal können sie Preise für Kauf und Verkauf des Solarstroms einstellen und ihre Handels-, Produktion- und Verbrauchsdaten in Echtzeit verfolgen. «In anderen Energieprojekten lässt das Interesse der Leute meistens schnell nach, bei «Quartierstrom» sind aber nach der Halbzeit noch über 80 Prozent der Teilnehmenden aktiv dabei», sagt Lili Ableitner, Doktorandin am Bits to Energy Lab der ETH Zürich, die im Projekt Nutzerverhalten und Akzeptanz untersucht.

Eine von ihnen ist Nadine Hässig, deren Familie eine PV-Anlage besitzt. Sie beobachtet regelmässig, was im lokalen Strommarkt passiert, wie hoch der Stromverbrauch ist und wie viel die Gemeinschaft aus den eigenen Solaranlagen deckt. «Die Preise passe ich nur noch hin und wieder an», erklärt sie. «Inzwischen weiss ich, bei welchen Preisen wir Strom verkaufen können. Gewinnmaximierung ist nicht das Ziel.» Auch Paul Gadient vom Alters- und Pflegeheim Riva nutzt als reiner Stromkonsument und Grossverbraucher den Markt aktiv: «Produzieren bei schönem Wetter alle Anlagen auf Hochtouren, setze ich meinen Kaufpreis tiefer als den Stromtarif vom Netz. So konnte ich schon einiges an Energiekosten sparen», erklärt Gadient. Wie er möchten viele Teilnehmende mit dem Projekt auch einen finanziellen Nutzen erzielen. Kaum jemand war bereit, für den lokalen Strom mehr zu berappen als für denjenigen vom Elektrizitätsversorger.

Die Preise im Quartierstrom-Markt verändern sich je nach Angebot und Nachfrage. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, pendeln sich die Preise zwischen dem Einspeisetarif von 4 Rappen und dem Strompreis des Energieversorgers von 20.75 Rappen pro kWh ein. «Das ist lukrativ, sowohl für Produzenten als auch Konsumenten», sagt Ableitner.

Stabile Blockchain

Preisbildung und Handel laufen über eine Blockchain, die von ETH Zürich und Universität St. Gallen entwickelt wurde. Das System läuft stabil, auch wenn ab und zu einzelne Geräte kurzzeitig ausfallen. Angesichts der neuen Technologie und Komplexität des Projektes verwundern diese «Kinderkrankheiten» jedoch nicht. Zudem ist die Blockchain dagegen gewappnet: Fällt einer der Minicomputer mit der Blockchain-Software einmal aus, zeichnen die Smart-Meter die Daten trotzdem auf, gehandelt wird aber nicht. Kommt das betroffene Gerät wieder in Fahrt, verrechnet es Verbrauch und Produktion während des Ausfalls mit dem Stromversorger. Die Bewährungsprobe bestand die Quartierstrom-Blockchain Anfang Februar, als mitten am Tag in Walenstadt für drei Stunden das Internet ausstieg. «Wir waren in unseren Büros an der Hochschule schon etwas nervös, als wir sahen, dass alle Geräte offline waren. Umso erleichterter waren wir, als nach dem Ausfall alles wieder einwandfrei funktionierte», erzählt Arne Meeuw von der Universität St. Gallen, Systemarchitekt der Quartierstrom-Blockchain.

Geringer Energieverbrauch und kleine Datenmengen

Bei der Entwicklung der Blockchain war ein geringer Stromverbrauch ein Kriterium. «Im Vergleich etwa zur Bitcoin-Blockchain ist die Lösung von Quartierstrom viel einfacher und geschlossen. «Der Rechenaufwand ist klein und es entstehen nur geringe Datenmengen», erklärt Meeuw. Im ersten halben Jahr haben sich knapp 1200 Megabyte angesammelt, etwa so viel wie 200 Fotos an Speicherplatz benötigen. Auch die kleinen Computer, die als Smartmeter dienen, brauchen mit einer Leistung von etwa 7 Watt nur sehr wenig Strom. Hochgerechnet auf den einjährigen Pilotversuch werden die 75 Rechner nur etwa 1,6 Prozent der gesamten Stromproduktion der Gemeinschaft konsumieren. Müsste der Strom über weite Strecken transportiert werden, lägen die Verluste bei rund 5 Prozent. Der lokale Strommarkt ist also auch bezüglich der Energieeffizienz sinnvoll.