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Perowskit-Solarzellen aus der Schlitzdüse

Dr. Toby Meyer im chemischen Labor seiner Firma Solaronix SA in Aubonne (VD). Foto: B. Vogel

Silizium bildet heute das Rückgrat der Stromproduktion mittels Photovoltaik. Als kostengünstige Alternative ist seit einiger Zeit der Halbleiter Perowskit im Gespräch. Die Forschung an Perowskit-Zellen hat in den letzten Jahren stupende Fortschritte erzielt. Im Wettkampf um die besten Ideen mischt auch die Schweiz mit: Die Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa arbeitet im Verbund mitdem Industriepartner Solaronix SA (Aubonne [VD]) an einer Perowskit-Zelle, die zwar einen begrenzten Wirkungsgrad aufweist, allerdings das Potenzial für eine günstige Industriefertigung hat.

Text: Benedikt Vogel

Der Siegeszug der Photovoltaik in den letzten zwei Jahrzehnten beruht hauptsächlich auf dem Halbleiter Silizium. Solarmodule aus Silizium sind im Preis stark gefallen und haben weltweite Verbreitung gefunden. Trotz dieser Erfolgsgeschichte wird heute an weiteren Halbleitern für PV-Anwendungen geforscht. Dazu gehören Solarzellen auf der Basis von Perowskit-Halbleitern. Die ersten Zellen dieser Art baute 2009 ein japanisches Forscherteam um den Elektrochemiker Tsutomu Miyasaka. Die Stromausbeute lag zunächst bei wenigen Prozent, konnte seither aber unter Laborbedingungen auf 24% gesteigert werden. Damit liegen Perowskit-Zellen beim Wirkungsgrad mit den Siliziumzellen gleichauf. Kein Wunder, elektrisieren photoaktive Perowskit-Halbleiter die Anhänger der Photovoltaik. Sie hoffen, mit diesen Werkstoffen Solarzellen dereinst einfacher und damit auch wesentlich kostengünstiger herstellen zu können.

Solaronix-Geschäftsführer Toby Meyer zeigt ein 20 x 30 cm grosses Perowskit-Solarmodul, welches von Solaronix mit Siebdruck hergestellt wurde. Im Nachfolgeprojekt UPero werden derartige Module mit Schlitzdüseverfahren entwickelt. Foto: B. Vogel

In den neuartigen Zellen dient ein Halbleiter mit Perowskit-Struktur als photoaktive Schicht, welche die Energie der Sonnenstrahlen in elektrischen Strom umwandelt. Perowskit ist in seiner Grundform ein Mineral aus Kalzium, Titan und Sauerstoff (CaTiO3), kommt aber in verschiedenen Abwandlungen vor, die ebenfalls über die für Perowskite charakteristische Kristallstruktur ABX3 (Verbindung aus den Kationen A und B mit dem Anion X) verfügen. Für den Bau von Solarzellen stehen Metall-Halid-Perowskite im Vordergrund, darunter insbesondere die organisch-anorganische Verbindung Methylammonium-Bleitriiodid. Perowskit-Solarzellen sind Dünnschichtzellen, das heisst, die photoaktive Schicht ist nur wenige Mikrometer dick – im Gegensatz zu der rund 180 Mikrometer starken Siliziumschicht in gängigen Siliziumzellen. Perowskit-Solarzellen bestehen aus verschiedenen Materialschichten, die auf einer speziell vorbereiteten Glasscheibe aufgebracht werden. Dank diesen Schichten können die positiven und negativen Ladungen, die die Sonnenstrahlen aus dem Halbleiter herausschlagen, getrennt und als Strom für die Energieversorgung genutzt werden.

Aufbau der Perowskit-Zelle

Wenn Sonnenstrahlen auf einen Halbleiter treffen, schlagen sie mit ihrer Energie Elektronen von tiefer zu höher liegenden energetischen Zuständen des Halbleiters. So entstehen frei bewegliche Ladungen, die entweder negativ sind (Elektronen) oder positiv (Stellen, an denen die Elektronen «fehlen», sogenannte «Löcher»). Von Natur aus würden die negativen und positiven Ladungsträger binnen Sekundenbruchteilen wieder auf ihren angestammten Platz innerhalb des Atoms zurückkehren. Damit die Ladungstrennung längere Zeit fortbesteht und sich ein elektrischer Strom bildet, der für die Stromversorgung genutzt werden kann, werden in Solarzellen Elektronenleiter (Materialien, die für Elektronen durchlässig sind, nicht aber für Löcher) und Lochleiter (durchlässig für Löcher, nicht aber für Elektronen) verbaut.

Bei einer «klassischen» Perowskit-Solarzelle ist der Absorber der Sonnenstrahlung (Perowskit) zwischen dem Elektronenleiter und dem Lochleiter platziert (siehe Illustration links). Diese beiden Schichten sorgen dafür, dass die Elektronen zur unteren Elektrode und die Löcher zur oberen Elektrode wandern. Als Lochleiter kommen organische Stoffe (Triphenyldiamin-Derivate) oder nicht organische Stoffe (Molybdänoxid, Nickeloxid) zum Einsatz, als Elektronenleiter Titandioxid oder Fullerene (eine bestimmte Art von Kohlenstoffmolekülen).

Das zweite Schema veranschaulicht den Aufbau der Perowskit-Solarzelle mit Kohlenstoffarchitektur, an der Empa und Solaronix gemeinsam forschen. Auch hier ist der Elektronenleiter zu erkennen (hier bestehend aus zwei Schichten Titandioxid, einmal kompakt und einmal porös). Der Lochleiter hingegen fehlt. Die Löcher werden stattdessen von einer porösen, elektrisch leitenden Kohlenstoffschicht (aus Grafit oder Russ/Carbon black) zum positiven Pol geleitet. Zu beachten: Der Absorber (bestehend aus dem Perowskit-Methylammonium-Bleitriiodid [CH3NH3PbI3]) bildet keine abgeschlossene Schicht, sondern er durchdringt die Solarzelle bis zum porösen Elektronenleiter («wie Kaffee, den man auf Zucker träufelt»). Die Isolatorschicht (aus Zirkonoxid oder Aluminiumoxid) ist nötig, damit die Löcher im Kohlenstoff nicht mit den Elektronen im Titandioxid rekombinieren können.

Die Solarzelle ruht auf einer Glasscheibe, die mit Fluor-dotiertem Zinnoxid (FTO) beschichtet ist, das elektrisch leitend ist und den negativen Pol der Solarzelle bildet. Oben wird die Solarzelle ebenfalls von einer schützenden, versiegelten Glasschicht abgeschlossen. BV

Kohlenstoff gibt der Perowskit-Zelle Halt

Trotz faszinierenden Fortschritten in den letzten Jahren kämpft die Perowskit-Zelle mit ihrer Instabilität: Aufgrund des Aufbaus bzw. der verwendeten Materialien reagiert sie empfindlich auf Feuchtigkeit, Sauerstoff, Hitze, UV-Licht und mechanische Belastungen. Empfindliche Leistungseinbussen (Degradation) schon nach kurzer Zeit sind die Folge. Dieses Handicap hat Forscher dazu inspiriert, die Perowskit-Zelle aus einer verbesserten Materialkombination zu bauen, die einen langlebigen Betrieb ermöglichen soll. Dies ist Prof. Michael Grätzel (École polytechnique fédérale de Lausanne [EPFL]) und Prof. Hongwei Han (Huazhong University of Science and Technology, China) im Jahr 2014 mit einer Zelle unter Einbezug von Kohlenstoff gelungen. Sie gilt als vielversprechende Anwärterin für eine beständige und günstig zu produzierende Solarzelle (Textbox).

Mit einer Schlitzdüse werden die einzelnen Materialschichten der Perowskit-Solarzelle auf einen Träger aus Glas aufgetragen. Illustration: Schlussbericht PeroPrint

Die Idee einer Perowskit-Solarzelle mit Kohlenstoffarchitektur wird unterdessen auch in der Schweiz weiterverfolgt: Seit Jahren erforscht die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa (Dübendorf) mögliche Herstellungsverfahren. In einem Pilot- und Demonstrationsprojekt, das vom Bundesamt für Energie (BFE) unterstützt wurde, spannten Empa-Forscher kürzlich mit der Firma Solaronix SA in Aubonne (VD) zusammen. Von 2016 bis 2018 stellten sie eine funktionsfähige Perowskit-Laborzelle von 10×10cm Fläche her. Die eigentliche Innovation besteht nicht im gewählten Aufbau der Zelle, sondern im Herstellungsverfahren. Dieses wurde an der Empa entwickelt. Solaronix stellte die sehr speziellen Materialien bereit.

Herstellung im Schlitzdüsenverfahren

Mit dem neuen Herstellungsverfahren werden die einzelnen Schichten nicht wie bis anhin mit Siebdruck, sondern im aus anderen industriellen Anwendungen gut erprobten Schlitzdüsenverfahren aufgetragen. Beim Siebdruck wird eine Matrize verwendet, sodass das Material nur auf diegewünschten Stellen gelangt. Beim Schlitzdüsenverfahren hingegen wird das Material auf der ganzen Fläche aufgebracht und dann an den Stellen, wo es nicht gebraucht wird, mit Lasertechnologie entfernt. Was auf den ersten Blick umständlich wirkt, hat wichtige Vorteile, wie Empa-Projektleiter Prof. Frank Nüesch sagt: «Mit dem neuen Verfahren können wir schneller beschichten, und wir können die Stärke der einzelnen Schichten flexibler festlegen. Das sind zwei entscheidende Vorteile für eine industrielle Fertigung unserer Perowskit-Zellen.» Mit dem Verfahren lassen sich in nur einer Minute meterlange Bahnen einer Materialschicht aufbringen.

Die Empa führte zahlreiche Beschichtungsversuche durch, bei denen ein Teil der Materialschichten der Perowskit-Zelle mit dem neuen Schlitzdüsen-Verfahren aufgetragen wurden, die übrigen Schichten mit dem herkömmlichen Siebdruckverfahren. Die Grafik zeigt den Wirkungsgrad, der mit verschiedenen Beschichtungsvarianten erzielt wurde. Grafik: Schlussbericht PeroPrint/bearbeitet B. Vogel

Die Herausforderung bestand für die Empa darin, die insgesamt fünf extrem feinen Schichten gleichmässig aufzutragen. Dafür mussten verschiedene Einstellungen der Beschichtungseinheit (wie Geschwindigkeit der Schlitzdüse, Durchflussgeschwindigkeit, Abstand Schlitzdüse–Substrat) optimiert werden, es mussten aber auch die aufgebrachten Materialien für den Beschichtungsprozess angepasst werden. Die Empa stellte eigens einen Druckexperten aus Indien ein und führte zahlreiche Beschichtungsversuche durch. Bei den Versuchen wurde jeweils eine der fünf Schichten im neuen Verfahren, die anderen Schichten aber im alten Siebdruckverfahren aufgebracht. «Am Ende konnten wir mit dem neuen Beschichtungsverfahren eine 10×10 cm grosse Perowskit-Zelle herstellen, die – auf einer kleineren Probefläche – mit rund 12% die gleiche Effizienz hat wie die Zellen, die wir früher mit Siebdruck hergestellt hatten», sagt Frank Nüesch. «Das neue Verfahren erlaubt es uns, siebenmal schneller zu ‹drucken› als mit Siebdruck, und wir können das nötige Trocknen und Ausheizen der Schichten in einem einzigen Prozessschritt (‹co-firing›) durchführen.» Man könnte zur Herstellung der Solarzellen – bei Verwendung eines flexiblen Substrats – sogar ein Rolle-zu-Rolle-Beschichtungsverfahren nutzen.

Spezialstoffe aus einem Westschweizer Chemielabor

Die Solaronix SA (Aubonne [VD]) hat die Empa als Industriepartnerin unterstützt. Die Firma ist 1993 gegründet worden und verkauft für die Forschung an Farbstoffsolarzellen seit 15 Jahren weltweit Chemikalien, die Prof. Michael Grätzel an der EPFL erfunden hat. Heute liegt der Fokus auf der Bereitstellung effizienter Herstellungsverfahren für Perowskit-Solarzellen. Solaronix betreibt eine selbst konzipierte, halbautomatische Versuchslinie zur Herstellung von 10×10 cm grossen Perowskit-Zell-Mustern mittels Siebdruck. «Wer eine neue Solarzelle wie die Perowskit-Zelle entwickeln will, braucht ein sehr spezialisiertes Wissen über die Chemikalien, die in der Photovoltaik benötigt werden», sagt Solaronix-CEO Dr. Toby Meyer, der sich seinerzeit an der EPFL zum Chemieverfahrensingenieur ausbilden liess und Mitte der 1990er-Jahre bei Prof. Grätzel seine Doktorarbeit schrieb. Im Rahmen des aktuellen Projekts hat das Solaronix-Labor die photochemischen Chemikalien hergestellt, die anschliessend an der Empa zum Drucken der Perowskit-Zellen eingesetzt wurden.

An der Empa in Dübendorf stellen Wissenschaftler mit dieser Anlage im Schlitzdüsen-Verfahren Perowskit-Solarzellen in der Grösse von 10 x 10 cm her. Im Zuge des aktuell laufenden Forschungsprojekts UPero soll das Herstellungsverfahren auf eine Zellgrösse von 30 x 30 cm hochskaliert werden. Foto: Empa

Die Zusammenarbeit zwischen den Westschweizer Chemikern und der Empa in Dübendorf wird von 2019 bis 2022 im Nachfolgeprojekt «UPero» fortgesetzt. Das Hauptziel besteht darin, die Herstellungstechnologie für die Beschichtung von 30×30 cm grossen Flächen hochzuskalieren. Damit liessen sich Module mit einer Fläche von einem Quadratmeter anfertigen, womit die Voraussetzung für eine industrielle Produktion geschaffen wäre. Gelingt die Produktion der Zellen in der gewünschten Qualität, sind verschiedene Qualitätstests vorgesehen (Langzeitstabilität, Temperaturbeständigkeit sowie Widerstandsfähigkeit gegen UV-Strahlung und Feuchtigkeit). Darüber hinaus wollen die Forscher klären, wie sich die gedruckten Flächen in kleinere Module unterteilen lassen, die dann für den kommerziellen Betrieb in Serie geschaltet werden.

Der Problemstoff Blei

Ein möglicher Stolperstein für die künftige Anwendung von Perowskit zur Herstellung von Solarzellen ist das Blei, das in dem Perowskit-Typ, der heute für Solaranwendungen im Vordergrund steht, enthalten ist. Die aus dem Absorbermaterial Methylammonium-Bleitriiodid (CH3NH3PbI3) gefertigten Zellen bestehen zu einem Drittel aus potenziell gesundheitsschädigendem Bleisalz (Bleiiodid/PbI2). Das sind rund 0,5Gramm pro Quadratmeter Modulfläche. Dazu schreiben die Wissenschaftler im Schlussbericht zum BFE-Projekt «PeroPrint»: «Der eine mögliche Ansatz besteht darin, das Blei in Perowskit-Solarzellen durch ein anderes Atom mit hoher photovoltaischer Effizienz zu ersetzen. Unter den verschiedenen Alternativen sind eine Anzahl von Substituten (z.B. Zinn), die aber noch vertieft untersucht werden müssen. Der andere Ansatz besteht darin, mit den heute verfügbaren, sehr effizienten Absorbern aus organischen Blei-Halid-Salzen (OMHP) zu leben und für sie eine robuste Verkapselung vorzusehen, die das Eindringen von Wasser unterbindet und eine Blei-Leckage selbst beim Bruch eines Moduls vermeidet.» BV

Fernziel Tandemzelle

Die Faszination von Perowskit-Solarzellen reicht über das aktuelle Forschungsprojekt hinaus. Heute gilt es als besonders aussichtsreich, Perowskit-Zellen gemeinsam mit Siliziumzellen zu Tandemzellen zu verbauen. Da Perowskit-Zellen vor allem die grünen und blauen Anteile des Lichts nutzen, Siliziumzellen aber die roten und infraroten Anteile, könnten Tandemzellen zu einem besonders hohen Wirkungsgrad führen. Unter Laborbedingungen wurden bisher 28% erreicht, Wissenschaftler halten sogar Wirkungsgrade von 32,5% für erreichbar. «Solarzellen mit hohem Wirkungsgrad und tiefen Herstellungskosten würden der Photovoltaik einen neuen Schub verleihen», sagt Toby Meyer.

An der Vision solcher Tandemsolarzellen arbeiten Forscher des Institut de microtechnique der EPFL am Standort Neuenburg bzw. des Centre Suisse d’Électronique et de Microtechnique SA (CSEM) in Neuenburg, aber auch ausländische Firmen wie beispielsweise Oxford PV, Wonder Solar oder GCL. Um Tandemzellen geht es auch an der Empa in der Abteilung von Prof. Ayodhya Tiwari. Hier werden hocheffiziente Tandemzellen mit Perowskit/CIGS-Dünnschichttechnologie erforscht.

Die Beschichtungsplattform C600, mit der an der Empa Perowskit-Solarzellen im Schlitzdüsen-Verfahren hergestellt werden. Foto: Empa

Perowskit-Halbleiter eröffnen für die Photovoltaik also verschiedene neue Wege. Frank Nüesch, der an der Empa im Nachbarlabor von Ayodhya Tiwari arbeitet, ist überzeugt, mit seinem Team einen wichtigen Input zur neuen Solartechnologie beisteuern zu können: «Wir können mit unserem relativ kleinen Labor zwar nicht an allen Fronten mithalten, aber wir können einen Beitrag zum Herstellungsprozess von langlebigen Perowskit-Zellen leisten.» Solarmodule auf Perowskit-Basis empfehlen sich unter anderem für Anwendungen der gebäudeintegrierten Photovoltaik, weil individuelle Formen damit leichter hergestellt werden können als bei Siliziumwafern. Denkbar sind beispielsweise auch glasbasierte Solarziegel.