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PV auf Infrastrukturflächen: «Das kann den Zubau insgesamt beschleunigen»

Foto: Tiefbauamt Baudirektion Kanton Zürich

Welches Potenzial bieten Infrastrukturanlagen und Konversionsflächen für den Ausbau der Photovoltaik und die Erreichung der Ziele der Energiestrategie 2050? Die Studie «InfraSolaire» bietet erstmalig eine umfassende Übersicht über die Möglichkeiten, die Wirtschaftlichkeit und die Herausforderungen für Solarstrom auf sämt­lichen Infrastrukturkategorien in der Schweiz.

Text: Beat Kohler

In der Schweiz werden Photovoltaikanlagen bisher fast ausschliesslich auf Gebäudedächern realisiert. Trotz der Beschleunigung beim Ausbau auf 493 MW im vergangenen Jahr braucht es aber einen noch rascheren Ausbau, um künftig den Bedarf an erneuerbarer Energie zu decken und die Versorgungssicherheit in der Schweiz gewährleisten zu können. Gemäss Swissolar sollte die Zubaurate um den Faktor 3 höher liegen als im Jahr 2020, um die Energiewende zu schaffen. Mittlerweile wurde auch von der Politik erkannt, dass der PV-Zubau schneller erfolgen muss. Um das Potenzial für Solarstrom zu erhöhen, könnten ohne zusätzlichen Flächenbedarf vermehrt bestehende Infrastrukturanlagen und Konversionsflächen genutzt werden. Dies war die Grundidee hinter der Studie, die vor gut einem Jahr bei der Energie Zukunft Schweiz AG (EZS) in Auftrag ge­geben wurde. Subventioniert wurde die Studie vom Bundesamt für Energie sowie von der Axpo Holding AG und den Industriellen Werken Basel (iwb). Die Studie «InfraSolaire» zeigt die Vorteile der Doppelnutzung grosser Flächen auf, aber auch gewisse Herausforderungen. Sie kategorisiert und priorisiert erstmals systematisch die potenziellen Infrastruktur- und Konversionsflächentypen und bewertet diese hinsichtlich technischer Machbarkeit, Akzeptanz und Bewilligungsfähigkeit sowie Wirtschaftlichkeit und Potenzial.

Nahe an der Praxis

Die Studie nimmt verschiedene Infrastrukturen genauer unter die Lupe: Verkehrswege von Bahn und Strassen, wo sich Lärmschutzwände, Parkplätze und Ähnliches anbieten, technische Infrastrukturen wie Stauseen, Abwasserreinigungsanlagen oder Lawinenverbauungen sowie Konversionsflächen wie Deponien oder Kieswerke und Flächen der Armee. In der Schweiz existieren bereits verschiedene Pilotprojekte auf Infrastrukturanlagen von Verkehrswegen, der Energieerzeugung und der Abwasserreinigung. Diese Projekte werden im Bericht ebenfalls vorgestellt. Die Studie ist praxisorientiert, daher werden nicht nur theoretische Potenziale ausgewiesen, sondern unter Einbezug diverser Faktoren auch das als realistisch eingeschätzte Potenzial. «Diese Einschätzung ist nicht einfach», räumt die Projektleiterin bei EZS, Lucia Grüter, ein. Zwar konnte das Team auf gute Basisdaten des Bundesamtes für Statistik, betroffener Fachverbände oder früherer Studien zurückgreifen. Die Schwierigkeit bestand aber darin, herunterzubrechen, was auf den vorhandenen Flächen wirklich realisierbar ist. «Vieles haben wir aufgrund der zahlreichen Interviews, die wir geführt haben, abgeschätzt», erklärt Lucia Grüter.

Bis zu 3 GW wirtschaftlich umsetzbar

Die im Rahmen der Studie geführten Interviews und Recherchen zeigen, dass sowohl das Potenzial als auch die technische Machbarkeit von PV auf vielen Infrastrukturkategorien vorhanden sind. Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass das technisch umsetzbare Potenzial für PV auf Infrastrukturanlagen und Konversionsflächen in der Schweiz bei 9 bis 11 GW liegt. «Bei den Strassen haben wir uns auf die Nationalstrassen fokussiert, nicht berücksichtigt in unserer Studie haben wir die Strasseninfrastruktur der Kantone und Gemeinden. Zusammen mit diesen Flächen wäre das Potenzial noch wesentlich grösser», stellt Lucia Grüter fest. Es gebe tatsächlich immer mehr kantonale Tiefbauämter, die selbst prüften, wie gross das Potenzial in ihren Kantonen sei. Sie nennt Glarus, Schaffhausen und das Tessin als Beispiel: «Es entsteht langsam ein Bewusstsein, dass hier noch Flächen brach liegen.» Bei der Einschätzung des wirtschaftlich realistischen Potenzials gibt die Studie mit 1,5 bis 3 GW eine wesentlich tiefere Zahl an. «Wir haben insgesamt sehr konservative Annahmen getroffen», erklärt Lucia Grüter. Dabei spielten Faktoren wie die Wirtschaftlichkeit und vor allem auch das regulatorische Umfeld eine wesentliche Rolle. So habe sich beispielsweise in Steinbrüchen und Kieswerken gezeigt, dass die oft in sehr langen Verfahren erarbeiteten Nutzungskonzepte zur Bewilligung des Abbaus kaum einen Spielraum für spätere Anpassungen hinsichtlich einer Doppelnutzung für PV zuliessen, so die Studienleiterin.

Parkflächen sind ­besonders geeignet

Aufgrund des technischen Potenzials und der Bewilligungssituation stellen sich insbesondere Projekte auf Parkflächen als sehr gut geeignet heraus. Die Parkflächen sind dank den zur Verfügung stehenden Flächen und der zunehmenden Elektromobilität mit wachsendem lokalem Strombedarf besonders attraktiv. «Bei diesen Anlagen erschliesst sich der Nutzen auf den ersten Blick», stellt Lucia Grüter fest. In der Schweiz bestand im Jahr 2009 eine gesamte Parkplatzfläche von 64 km2. Nicht enthalten in dieser Zahl sind Parkplätze mit weniger als zehn Parkfeldern, Parkfelder zum Längsparkieren entlang der Strassen, Autobahnraststätten und Rastplätze, der Autohandel sowie unterirdische Parkplätze und Parkhäuser. Eigentlich muss also von einer bedeutend grös­seren Fläche ausgegangen werden. Aufgrund der hohen Akzeptanz und des eindeutigen Mehrwerts von Carport-Lösungen geht man davon aus, dass Parkplatzüberdachungen eine wichtige Infrastrukturkategorie für PV in der Schweiz werden können. Alleine für diese Flächen weist die Studie ein realistisches Potenzial von bis zu 1 GW aus. Die massive Zunahme beim Verkauf von Elektrofahrzeugen im letzten Jahr könnte hier zusätzlich für Beschleunigung sorgen. «Grundsätzlich gilt bei diesen Anlagen ebenfalls je grösser, desto besser, um den Preis pro Kilowattstunde zu senken. Deshalb sollten zuerst die grössten Parkflächen in Betracht gezogen werden», ist Lucia Grüter überzeugt. Denn ein Hindernis für den Bau von PV auf den verschiedenen Infrastrukturbauten und -flächen ist die Wirtschaftlichkeit. Diese sei oft knapp oder gar nicht gegeben, ­schreiben die Studienautoren.

Geringer Eigenverbrauch erschwert den Zubau

Die geringe Wirtschaftlichkeit habe in erster Linie mit einem geringen oder gar nicht vorhandenen Eigenverbrauch vor Ort zu tun, der bei den aktuellen Rahmenbedingungen im Schweizer Strommarkt aber elementar ist. Als prominentes Beispiel hierfür nennt die Studie Lawinenschutzverbauungen, die aufgrund ihrer Lage ein hohes Potenzial für Winterstrom aufweisen würden. Angesichts der alpinen Lage würden sie dann überdurchschnittlich viel Strom liefern. Sie können aber aufgrund reiner Netzeinspeisung meist nicht wirtschaftlich betrieben werden. Hinzu kommen bei vielen Anlagen auf Infrastrukturflächen die im Vergleich zu Aufdachanlagen höheren Investitionskosten. Auf Nachfrage relativiert Lucia Grüter diesen Punkt ein wenig. Die Investitionskosten seien nicht grundsätzlich höher, sondern je nach Anlagentyp. Besteht ein Netzanschluss, kann beispielsweise ein Solarzaun entlang einer Strasse oder beispielsweise Anlagen auf einer Autobahngalerie oder einem Umspannwerk preislich durchaus mithalten. Dennoch wird für eine breite Erschliessung des Potenzials in vielen Fällen eine spezielle Förderung benötigt, zum Beispiel in Form einer höheren Einmalvergütung, wie es bereits innerhalb der Revision des Energiegesetzes vom Bundesrat vorgeschlagen wurde. Die Studie hält fest, dass für den Produzenten ein garantierter Rückliefertarif oder die sogenannte Marktprämie die vorteilhafteste Förderung wäre. Österreich hat sich mit dem neu verabschiedeten «Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz» (EAG) für diesen Weg entschieden. Der garantierte Rückliefertarif wird in der Schweiz immer wieder von verschiedenen Seiten gefordert – unter anderem auch von der SSES und von VESE.

Es braucht neue Impulse und Rahmenbedingungen

Eine weitere Herausforderung stellt das regulative Umfeld und somit die erschwerte Bewilligungssituation dar, insbesondere für die Kategorien der Konversionsflächen und der Bahn- und Strassenböschungen, bei denen raumplanerische und umweltrechtliche Aspekte zu beachten sind. Um den Bau von PV auf solchen Flächen zu fördern, werden einfachere und kürzere Bewilligungsprozesse benötigt. Die vom Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) angekündigte Revision der Raumplanungsverordnung soll gewisse Vereinfachungen für PV auf Infrastrukturbauten ausserhalb der Bauzonen beinhalten. Eine weitere dringliche Notwendigkeit besteht in der Präzisierung des Grundsatzentscheides des ARE bezüglich Freiflächenanlagen und den darin erwähnten Ausnahmefällen. Dieser Entscheid wurde vor zehn Jahren gefällt und bedarf einer Anpassung, damit nicht weiterhin Projekte verhindert werden.

Die vorliegende Studie zeigt auf, dass in der Schweiz ein beträchtliches Potenzial für PV auf Infrastrukturbauten vorhanden ist. «An erster Stelle steht weiterhin, dass Dachflächen für Solarenergie genutzt werden. Wenn parallel dazu die Infrastrukturflächen in Angriff genommen werden, kann dies den Zubau der Solarenergie insgesamt beschleunigen», ist Lucia Grüter überzeugt. Damit die Infrastrukturflächen für die Umsetzung der Energiestrategie 2050 genutzt und zum PV-Zubau beitragen können, braucht es jedoch neue Impulse und Rahmenbedingungen. Das sind zum einen Fördermassnahmen, damit die Wirtschaftlichkeit der Projekte gegeben ist, und zum anderen regulatorische Anpassungen in der Raumplanung, damit Solaranlagen ausserhalb der Bauzone effizient umgesetzt werden können. Die Studie selbst soll ein Anstoss für die Diskussion sein. Die Rückmeldungen bisher seien mehrheitlich positiv gewesen, erklärt die Projektleiterin.

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