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Schweizer Finanzmarkt befeuert weiterhin die Klimakrise

Auch drei Jahre nach dem aufschlussreichen Bericht über den Einfluss von klimaschädlichen Finanzflüssen, kommen die meisten Schweizer Finanzakteure ihrer Verantwortung nicht nach. Bild: Pixabay.

Die Erkenntnisse des Klimaverträglichkeitstests des BAFU bestätigen das Versagen der aktuellen Politik des Bundesrates, auf freiwillige Massnahmen zu setzen. Mit ihren Investitionen und Finanzierungen befördert der Finanzmarkt nach wie vor eine globale Erwärmung. Damit bleibt das Klimaziel des Pariser Abkommens von maximal 1.5 Grad wesentlich überschritten. Die Klima-Allianz fordert Regulierungen; der WWF legt ein konkretes Massnahmen Paket auf den Tisch. Der nächste Klimaverträglichkeitstest ist 2022 geplant.

Pressedienst/Redaktion

Vor drei Jahren luden das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) die Schweizer Pensionskassen und Versicherungen zum ersten Mal ein, die Klimaverträglichkeit ihrer Portfolien testen zu lassen. Mit diesem Test wurde klar, dass ihre Investitionen eine dramatische Erderhitzung um vier bis sechs Grad Celsius unterstützen. Und auch der Weltklimarat (IPCC) hat 2018 aufgezeigt, dass die globale Klimaerwärmung 1,5 Grad Celsius nicht überschreiten soll, um gravierende Veränderungen der Ökosysteme zu verhindern. Wie das BAFU anerkennt, kann dies „nur erreicht werden, wenn auch die Investitionen und Finanzierungen der Finanzinstitute auf dieses Ziel ausgerichtet werden.“ Für die Finanzakteure hätte dies ein Weckruf sein sollen. Doch der neue Bericht zeigt: Sie schlafen weiter. Gestern hat das BAFU den Bericht zum Klimaverträglichkeitstest des Schweizer Finanzmarktes veröffentlicht. Der Bericht bestätigt: Banken, Versicherungen und Pensionskassen verhindern durch ihr Investitionsverhalten nach wie vor, dass die Schweiz ihren fairen Beitrag zur Umlenkung der Finanzflüsse gemäss dem Pariser Klimaabkommen leistet. Insbesondere wird weiterhin massiv in die Förderung von Gas und Öl sowie in den Kohleabbau investiert.

Viel zu kleine Schritte

Auch das BAFU hält in ihrer gestrigen Medienmitteilung fest, dass der Finanzmarkt seit 2017 viel zu wenig Fortschritte gemacht hat und damit sogar ökonomische Risiken hinnimmt: „Insgesamt investiert der Schweizer Finanzplatz heute viermal mehr Mittel in Firmen, die Strom aus fossilen Quellen wie Kohle und Gas erzeugen, als sie in Produzenten von erneuerbarem Strom investiert. 80 Prozent der Teilnehmenden halten Firmen in ihren Portfolien, die Kohle abbauen. Dabei unterstützt der Schweizer Finanzplatz im Schnitt einen zusätzlichen Ausbau der internationalen Kohle- und Erdölförderung. Dies läuft dem Klimaziel zuwider. Investitionen in fossile Energien können auch finanzielle Risiken für Kapitalgeber bergen, wenn solche Energieträger aufgrund klimapolitischer Massnahmen künftig weniger attraktiv werden.“

Klimaverträglichkeitstest

Das BAFU hat zusammen mit dem SIF den Klimaverträglichkeitstest nach der internationalen PACTA-Methode durchgeführt. Daran haben 179 Finanzinstitute teilgenommen, erstmals auch Banken und Vermögensverwaltungen. Das sind mehr als doppelt so viele wie beim letzten Test im Jahr 2017, der nur Pensionskassen und Versicherungen offenstand. Die Ergebnisse seien repräsentativ für den gesamten Schweizer Finanzmarkt.

PACTA Methode für den Klimaverträglichkeitstest

Die PACTA-Methode (Paris Agreement Capital Transition Assessment) ist eine standardisierte Analyse für globale Aktien, Unternehmensanleihen und Kreditportfolien.
Dabei werden die Produktionspläne der in den Portfolien enthaltenen Firmen mit einer Entwicklung verglichen, die gemäss Internationaler Energieagentur (IEA) nötig ist, um das maximale Erwärmung auf 1,5° zu begrenzen. Die Analyse umfasst die vier Sektoren Förderung fossiler Energien, Stromerzeugung, Transport sowie Industrie. Neu kann untersucht werden, wie gut die Schweizer Immobilien im Vergleich zum Klimaziel für den inländischen Gebäudepark abschneiden. Die Analyse hat so 70–90 Prozent der über die Kapitalmärkte indirekt verbundenen Emissionen dieser klimarelevanten Sektoren erfasst. Ergänzend zu den Tests gibt eine qualitative Umfrage Aufschluss über klimarelevante Investitionsstrategien der Teilnehmenden. Zusätzlich zeigt ein Stresstest Risiken auf.
Insgesamt konnten im PACTA 2020 Test rund 80 Prozent der Investitionen in Aktien und Unternehmensanleihen, die Hälfte aller Liegenschaften, die von institutionellen Investoren gehalten werden, sowie drei Viertel der Schweizer Wohngebäude, die über Hypotheken abgedeckt sind, untersucht werden. Der standardisierte Test zeigt den Finanzinstituten, wo ihre Finanzprodukte und Investitionen in Bezug auf Klima im Vergleich zu ihren Konkurrenten stehen. Den Teilnehmenden steht frei, ob sie ihre Ergebnisse nur für interne Folgearbeiten verwenden oder offenlegen.

Klima-Rating der Pensionskassen

Auf gleiche Ergebnisse kommt das am 1. November durch die Klima-Allianz veröffentlichte Klima-Rating der Pensionskassen, der Suva und des AHV-Fonds. 92 Prozent des Vorsorgekapitals ist nicht klimaverträglich angelegt. Drei Jahre nach der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens durch die Schweiz ignorieren die Pensionskassen noch weitgehend die Klimarisiken. Nur 8 Prozent der Vorsorgegelder der Schweiz ist durch Institutionen angelegt, die ihre Investitionen auf eine konsequente Reduktion der finanzierten Treibhausgasemissionen ausrichten.

EU Vorbildlich, Schweiz hinkt nach

Die EU ist der Schweiz voraus: Banken, Pensionskassen und die weiteren Finanzakteure müssen ihre Strategien zur Reduktion der finanzierten Treibhausgasemissionen offenlegen. Mit diesem Schritt wird die Finanzwirtschaft verpflichtet, die sich abzeichnenden Wertverluste auf den Investitionen in Unternehmen der fossilen Wirtschaft zu vermeiden. «Die Klima-Allianz fordert Bundesrat und Politik auf, die Bestimmungen der EU zumverbesserten Management von klimabedingten Finanzrisiken sowie zur Umlenkung der Finanzflüsse sofort und vollständig ins Schweizer Recht zu übernehmen», sagt Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz: «An die Stelle des bisherigen Laissez-Faire muss die aktive Steuerung treten. Finanzinstitute sind zu verpflichten, die von ihnen finanzierten Treibhausgasemissionen offenzulegen. Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter und Pensionskassen müssen verbindliche Handlungspläne festlegen, damit sie ihr Geschäftklima verträglich ausrichten». Die relevanten Regulierungen der EU, an denen sich die Schweiz orientieren sollte, hat die Klima-Allianz zusammengefasst.

Massnahmen hin zu einem grünen und resilienten Finanzmarkt

Auch der WWF erachtet es als zentral, dass die einzelnen Finanzinstitute ihre Testresultate transparent offenlegen. Im Bericht «Leading the way to a green and resilient economy», der im September veröffentlicht wurde, listet der WWF zusammen mit PwC über 40 konkrete Massnahmen auf, wie die Finanzakteure eine zukunftsfähige Wirtschaft mitgestalten können. Die Akteure auf dem Finanzmarkt müssten messbare Klimastrategien mit CO2-Absenkpfaden und verbindlichen Zwischenzielen definieren und umsetzen. Und aufzeigen, wie sie innert kürzester Frist aus der Finanzierung von Kohle-, Gas- und Erdölunternehmen aussteigen.