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Holz liefert Wärme und Wertschöpfung

In der Schweiz wird noch immer der grösste Teil der benötigten Wärme aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Im Emmental will man mit der Kampagne «Oil of Emmental» einen aktiven Beitrag dafür leisten, dass mehr einheimische Holzenergie zum Einsatz kommt. Im Emmental wächst so viel Holz nach, dass dieses zum Beheizen der ganzen Region reichen würde. Würde Holz mit Sonnenenergie kombiniert, könnte sogar Energieholz in umliegende Gebiete geliefert werden.

Beat Kohler
Im vergangenen Sommer hat die Wärmeinitiative Schweiz (WIS), ein Zusammenschluss von Verbänden und Unternehmen der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz, eine gross angelegte Studie in Auftrag gegeben. Diese Studie zeigt, wie eine vollständige Dekarbonisierung des Wärmesektors bis 2050 gelingen kann. Im Moment ist es nach wie vor so, dass in der Schweiz hauptsächlich mit Öl und Gas geheizt wird. 50% des Schweizer Endenergieverbrauchs werden für die Produktion von Wärme aufgewendet, 70% davon entfallen auf fossile, nicht erneuerbare Quellen. Die Schweiz verbraucht aktuell jährlich rund 100 TWh Energie für Wärme. Die Autoren haben errechnet, dass sich der Energiebedarf dank Energieeffizienzmassnahmen auf 80 bis 90 TWh reduzieren liesse. Sie zeigen auch, dass die Schweiz ein Potenzial von mindestens 100 TWh thermischer erneuerbarer Energie hat – unter anderem in Form von Holz.

Alter Rohstoff neu entdeckt

Dass Holz ein idealer Energieträger ist, weiss man beispielsweise im Emmental seit Jahrhunderten. Man hat dort Erfahrungen damit gemacht, was passiert, wenn der Wald zu stark oder auch zu wenig genutzt wird. Im 18. Jahrhundert war die Nachfrage nach dem Energieträger Holz nämlich so gross, dass die Wälder im Emmental kahlgeschlagen wurden. Das führte dazu, dass die Niederschläge an der Oberfläche abflossen und Hochwasser­ereignisse auslösten, wie sie Jeremias Gotthelf in seiner «Wassernot im Emmental» beschreibt. So kam es, dass die Schweiz vor bald 150 Jahren als erstes Land weltweit eine Gesetzgebung einführte, die auf eine nachhaltige Nutzung ausgerichtet war – das Forstpolizeigesetz von 1876. Auch damals liessen sich die Menschen erst von der Notwendigkeit überzeugen, als die Katastrophe schon da war. Und anstelle von Raubbau und Kahlschlag wurden die Wälder wieder aufgeforstet. Heute hat man eher das gegenteilige Problem: Der Wald wird zu wenig genutzt, und die Preise sind tief. Viele Fichten fallen dem Borkenkäfer anheim. Mit der Kampagne «Oil of Emmental» wollen Solarpionier Josef Jenni und seine Mitstreiter hier Gegensteuer geben und die Nutzung ankurbeln. Die Jenni Energietechnik AG hat die Kampagne erstmals 2004 lanciert. Nun nimmt man erneut einen Anlauf und will Holzenergie wieder populärer machen. Für Heizöl und Gas fliessen zurzeit jährlich rund 50 Millionen Franken alleine aus dem Emmental ins Ausland ab und schmälern damit die lokale Kaufkraft. Gleichzeitig wächst im Emmental laufend so viel Holz nach, dass die ganze Region mit Wärme versorgt werden könnte. Eine deutlich gesteigerte Nutzung der Wälder sei zu deren Pflege und Erhaltung dringend notwendig, erklären die Initianten. Durch direkte Sonnenenergienutzung (thermische Sonnenkollektoren, Solarzellen und auch geschickt angeordnete Fenster) könne ein beträchtlicher Teil der Energie für Heizung und Warmwasser wie auch für Strom unmittelbar bereitgestellt werden. Energieholz als lagerbarer Energieträger biete dazu die ideale Ergänzung.

Nicht nur im ländlichen Raum

Dass Holz nicht nur im ländlichen Raum zum Einsatz kommt, zeigt ein aktuelles Beispiel der Basler Energieversorgerin IWB, die in den Umbau ihres Heizwerks beim Bahnhof Basel investiert. Sie stellt die bisher fossile Fernwärmeproduktion mit Erdgas teilweise auf Holzpellets um. Die Basler Fernwärme soll zu mindestens 80% aus CO2-neutraler Energie bestehen. Dank der nachhaltigen Wärmeproduktion in der Kehrichtverwertungsanlage und in den beiden Basler Holzkraftwerken liegt dieser Wert bereits heute bei rund 75%. Nun soll das Heizwerk beim Bahnhof für eine klimafreundliche Fernwärmeproduktion mit Holzpellets umgebaut werden. Die Arbeiten an den technischen Anlagen und am Gebäude dauern bis Ende 2022. IWB wird ein Pelletlager mit entsprechender Fördertechnik bauen, einen Brenner von Erdgas- auf Pelletfeuerung umbauen sowie die Rauchgasfilterung anpassen. Ab 2023 spart die neue Anlage pro Jahr rund 10 000 Tonnen CO2 ein.

Gut für die lokale Wertschöpfung

Dass insgesamt sämtliche erneuerbare Energiequellen nötig sind, um in der Schweiz das Netto-null-Ziel bis 2050 zu erreichen, erklärt auch die WIS-Studie. Es brauche für die Wärmewende Umweltwärme aus Luft, Gewässern, Erdreich und Geothermie, Abwärme aus KVA und ARA, Biomasse in Form von Holz und Biogas sowie erneuerbaren Strom zum Antrieb der Wärmepumpen. Für die Wärmewende veranschlagt die Studie von 2020 bis 2050 netto direkte und indirekte Kosten von jährlich rund 1,5 Milliarden Franken. Verglichen mit den rund 13 Milliarden Franken, die die Schweiz jährlich für den Import fossiler Brennstoffe zahlt, erscheinen die 1,5 Milliarden Franken als sinnvolle Investition, die für zusätzliche inländische Wertschöpfung sorgt. Das gilt auch in Teilregionen. Die Initianten von «Oil of Emmental» sehen in der Umstellung auf Holzenergie auch einen Ansatz zur Bewältigung der wirtschaftlichen Coronafolgen. Denn die Nutzung erneuerbarer Energien stärkt das örtliche Gewerbe und die Waldwirtschaft, lokale Arbeitsplätze werden gesichert und neu geschaffen.

Interview mit Josef Jenni, Initiant von «Oil of Emmental»

Zur Person

Josef Jenni (1953) ist der Gründer der Jenni Energietechnik AG, Oberburg. Er ist international anerkannter Solarpionier und Initiant der «Tour de Sol». Heute ist er Spezialist für Solaranlagen und Solarspeicher sowie industrieller Partner für erneuerbare Energien. Seit 2004 setzt er sich mit der Kampagne «Oil of Emmental», die diesen September neu lanciert wurde, für die Holzenergie ein.

Warum haben Sie die Kampagne «Oil of ­Emmental» neu lanciert, und warum gerade jetzt?

Josef Jenni: Der lokale Oberförster ist diesen Frühling mit der Frage auf mich zugekommen, ob ich eine Idee hätte, wie das haufenweise anfallende Schädlingsholz eine sinnvolle Verwendung finden könnte. Die Förster und Waldbesitzer finden keine Abnehmer für ihr Holz und wissen darum nicht mehr, wohin damit. Wenig später war auch ein Mitarbeiter von uns konkret von der Borkenkäferproblematik betroffen. Er musste in seinem Privatwald zu einem kaum kostendeckenden Preis 1200 Kubikmeter Holz zwangsfällen lassen. Gleichzeitig beschäftigt mich als Geschäftsführer natürlich die grosse Unsicherheit in Zusammenhang mit der Coronapandemie. Wir haben bis jetzt eigentlich noch immer einen relativ robusten Auftragseingang. Ich hatte aber trotzdem das Gefühl, eine PR-Aktion würde mittelfristig förderlich sein, auch weil das Risiko da ist, dass die bis anhin erfreuliche Geschäftsentwicklung ganz schnell ins Negative kippt.

Welche Reaktionen haben Sie auf die Neulancierung von «Oil of Emmental» gehabt?

Ein grosser Teil des Emmentaler und Oberaargauer Waldes ist in Privatbesitz, und die meisten dieser Besitzer sind Landwirte. Sie freuen sich natürlich sehr über unsere Unterstützung und machen darum auch aktiv bei der Kampagne mit. Es hängen in der Zwischenzeit über 200 «Oil of Emmental»-Blachen an Holzbeigen in der Region. Auch die lokalen Installateure, Planer und ansässigen Holzenergieproduzenten schätzen die Werbung, die wir für sie sehr kostengünstig machen. Ihre Namen standen auf den 110 000 Flyern, die in Emmentaler und Oberaargauer Haushalte verschickt wurden.

Was sind genau die Ziele der Kampagne, und welchen Erfolg versprechen Sie sich?

Das grösste Ziel ist natürlich, dass Herr und Frau Schweizer wieder vermehrt auf einheimische Energie setzen. Der Wärmesektor ist immer noch dominiert von fossilen Energien. Wir importieren Öl und Gas aus sehr fragwürdigen Quellen. Die inländische Wertschöpfung von Öl und Gas ist klein. Dieses Jahr hat man wieder von mehreren verheerenden Umweltkatastrophen gelesen, die durch den Abbau fossiler Energien hervorgerufen wurden. Gleichzeitig liegt unser einheimischer Wunderrohstoff brach. Es ist unverständlich. Der Schweizer Wald kann uns nachhaltig mit 50% mehr Holz versorgen als wir heute nutzen. Das Potenzial ist also gross, und das wollen wir abrufen. Wir wollen den Holzenergiesektor mit der Kampagne ganz allgemein stärken, und das entlang der ganzen Wertschöpfungskette: Waldbesitzer, Holzverarbeiter, Holzkesselbauer wie unseren Partner Schenk Ofenbau sowie natürlich Installateure, Planer und Energieberater, die auf erneuerbare Energien setzen. Wenn am Schluss für uns als Holzkessellieferant ein Stück vom Kuchen übrig bleibt, ist das schön.

Suggeriert der Name «Oil of Emmental» nicht, dass Öl weiterhin der wichtigste Energieträger bleibt und wir nur eigenes Öl brauchen?

Der Erfolg der ersten Kampagne im Jahr 2004 hat uns mit der Wahl des Namens eigentlich recht gegeben. Auch wenn es nicht alle verstanden haben. So hat sich der damalige CEO von BP in einem Leserbrief in der NZZ über «Oil of Emmental» lustig gemacht und geschrieben, dass es kein Öl im Emmental gebe, man habe da schon danach gebohrt. Der Name soll etwas kontrovers sein und zum Nachdenken anregen. Damit der Zusammenhang aber verstanden wird, sind die meisten unserer Plakate und Blachen an Holzbeigen befestigt. Und wir wollen die Leute ja auf unsere Website oil-of-emmental.ch lotsen. Da ist natürlich auch alles erklärt.

Erschwert dieser Marketingbegriff nicht die Abgrenzung von Holz zu fossilen Brennstoffen?

Wir glauben, er zeigt Holz als die regionale, erneuerbare Alternative zum fossilen, umweltverschmutzenden Brennstoff aus der Ferne. Warum haben Sie trotz dem Bezug zu fossilen Brenn­stoffen weiterhin am Begriff festgehalten?Man kann die Sachen schon beim Namen nennen. Aber damit gewinnt man heute keinen Blumentopf mehr. Wir wollen ja die Leute zum Nachdenken anregen. Was ist mit mit Oil of Emmental gemeint? Haben die jetzt tatsächlich Öl gefunden? Es war auch eine nachhaltige Überlegung: Wir hatten noch übriges Werbematerial von der letzten Kampagne! (Lacht.)

Es ist nachvollziehbar, dass in einer bewaldeten Region wie dem Emmental das Holzenergiepotenzial gross ist. Was kann Holzenergie aber national beitragen?

Das Holzpotenzial ist auch in vielen anderen Regionen der Schweiz gross. So sind beispielsweise 51% der Fläche des Tessins Wald. In der Schweiz wachsen pro Jahr und Einwohner über 820 Kilogramm Holz nach. Das ist eine beträchtliche Menge, und die Waldfläche in der Schweiz nimmt jährlich zu. Das ist absolut erfreulich, und es gibt uns die schöne Möglichkeit, mehr Holz zu nutzen. Holz ist ein lagerbarer Energieträger. Schlussendlich muss das Ziel sein, einen möglichst hohen Anteil unseres Energiebedarfs mithilfe der Sonnenenergie zu decken und die Holzenergie zu nutzen, wenn die Sonne nicht genug liefert. Auf diese Art reicht das Holz für alle, solange wir sorgsam damit umgehen. Zur Absicherung einer funktionierenden Energiewende ist das Holz als lagerbarer Energieträger die wichtigste Stütze.

Holz verbinden viele mit Arbeit, die sie mit fossilen Brennstoffen nicht haben, wie Holzspalten oder ­ständigem Nachfeuern. Kann Energieholz diese Nachteile wettmachen und wenn ja, wie?

Pelletheizungen machen diesen Nachteil wett. Sie sind vollautomatisch, brauchen nicht mehr Lagerraum als eine Ölheizung und sind vom Aufwand her absolut mit einer fossilen Heizung vergleichbar. Andererseits lässt sich eine Bewegung zurück zu den Wurzeln beobachten. Dem Holzspalten kann auch viel Positives abgewonnen werden. Es ist meditativ und fördert Kraft und Geschicklichkeit. Dann gilt es noch hervorzuheben, dass die Vorteile die Nachteile klar überwiegen: Holz schafft mehr Arbeitsplätze, mehr Wertschöpfung, mehr Wohlgefühl und deutlich weniger Umweltverschmutzung als das fossile Pendant.

Lässt sich der Wald nachhaltig erhalten, wenn Energieholz wieder populärer wird?

Die steigenden Verkaufszahlen zeigen, dass Holz populärer wird. Irgendwann wird der Punkt erreicht, wo die Nachfrage sich dem nachhaltigen Angebot nähert. Der Schweizer Wald ist im grossen Ganzen sehr gut gemanagt. Da mache ich mir darum nicht allzu grosse Sorgen. Zudem ergänzt Sonnenenergie die Holzenergie ganz vorzüglich, falls es doch mal knapp werden sollte. Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass Holzwärmeverbünde dann mit grossen thermischen Solaranlagen nachgerüstet werden.

Wie gut ergänzen sich denn Holz- und Solarenergie?

Holz- und Solarenergie ist die heiztechnische Traumkombination schlechthin.

Wäre es bezogen auf den CO2-Haushalt nicht schlauer, Holz zu verbauen und Heizsysteme ganz auf Solarenergie auszulegen?

Alles zum Bau geeignete Holz soll unbedingt verbaut werden. CO2 wird so längerfristig gespeichert. Nur ist es so, dass bei der Holzverarbeitung Sägespäne und Holzreste anfallen. Diese können zu Holzpellets weiterverarbeitet werden (Stichwort: Kreislaufwirtschaft). Und bereits bei den Forstarbeiten im Wald sind 30 bis 40% des Abschnitts (Äste, Schwachholz usw.) nicht als Bauholz geeignet. Die Nutzung von Restholz als Energieholz hilft darum auch, Arbeiten im Wald wirtschaftlich zu machen. Wenn wir Heizungen auf Solarenergie auslegen, bleibt trotzdem meist ein Restwärmebedarf, den es zu decken gilt. Ein Neubau oder ein saniertes Gebäude mit 20 Quadratmeter Kollektoren deckt beispielsweise schnell einmal 50 bis 70% des eigenen Wärmebedarfs mit Sonnenenergie ab. Holz als lagerbarer Energieträger eignet sich perfekt, um die restlichen 30 bis 50% flexibel zur Verfügung zu stellen. Übrigens: Eine weitere fantastische Möglichkeit, Holz zu verwenden, besteht darin, es nicht vollständig zu verbrennen. In einem Pyrolyseverfahren wird nur der Gasanteil verbrannt. Übrig bleibt sogenannte Pflanzenkohle. Diese Pflanzenkohle hat einen sehr hohen Kohlenstoffanteil und leistet in der Landwirtschaft als Zugabe in Gülle und Mist vorzügliche Dienste. Pflanzenkohle unterbindet unter anderem Geruchsemissionen und führt als Dünger zu Humusaufbau. Bei Austragung auf dem Feld wird Kohlenstoff (C) über Jahrhunderte gespeichert. Wir erreichen damit negative CO2-Emissionen! Das heisst, dieser Einsatz ist nicht nur CO2-neutral, sondern führt sogar zur Reduktion des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre.

Wie wollen Sie mit «Oil of Emmental» weiter vorgehen, um sowohl Holzenergie als auch Solarenergie voranzubringen?

Selbstverständlich arbeiten wir an der Kampagne kontinuierlich weiter. Wir haben noch viele Blachen, die es aufzuhängen gilt. Blachen und anderes Werbematerial können übrigens kostenlos bei uns bezogen werden. Allgemein gilt es, die Leute mit guter Arbeit und erfolgreichen Beispielen von den Technologien zu überzeugen. Anfang dieses Jahres haben wir eine gewisse Aufbruchsstimmung erlebt und gedacht, jetzt komme der Stein endlich unaufhaltsam ins Rollen. Die Pandemie hat dann die Klima­diskussionen arg aus den Medien verdrängt und die Prioritäten vieler Leute etwas verschoben. Wir sind aber überzeugt, dass die Entwicklung nur temporär gebremst wurde. Die Jenni Energietechnik AG war schon immer sehr aktiv – weit über die unternehmerische Ebene hinaus. Auch nach bald 45 Jahren werden wir nicht müde, uns auch politisch Gehör zu verschaffen und Aufklärungsarbeit zu leisten.

www.oil-of-emmental.ch