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Klimaschutzgesetz: Gemeinsam einstehen für unsere Gletscher

Foto: Beat Kohler

Vertreterinnen und Vertreter der Klima-Allianz setzen sich für eine verantwortungsvolle und ambitionierte Klimapolitik in der Schweiz ein. Gemeinsam stehen sie hinter der Kampagne für ein Ja zum Klimaschutzgesetz am 18. Juni 2023. Die breit abgestützte Ja-Kampagne unter dem Motto «Schützen, was uns wichtig ist» wurde Ende März in Flüeli-Ranft, dem Mittelpunkt der Schweiz, lanciert. 

Text: Beat Kohler

Flüeli-Ranft als Standort für den Auftakt zum Abstimmungskampf für das Klimaschutzgesetz war ebenso wenig zufällig gewählt wie 2018 der Steingletscher zur Lancierung der Gletscher-Initiative und zur Gründung des Vereins Klimaschutz Schweiz. Am Steingletscher ist heute nur noch eine kleine Stirnmoräne vom letzten Vorstoss des Gletschers Anfang der 1990er-Jahre zu sehen. Seither hat sich der Gletscher weit über einen Kilometer weit in den Talkessel zurückgezogen. Dort, wo der Verein gegründet wurde, gab es vor 30 Jahren noch eine Dutzende Meter hohe Eisüberdeckung. Diese Stirnmoräne bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der menschgemachte Klimawandel wirklich sichtbar geworden ist. Die Klimakrise, die schon vor fünf Jahren in den Hochalpen gut sichtbar war, ist im Zentrum der Schweiz angekommen, und selbst im frühen Frühjahr sind nur noch die höchsten Gipfel weiss. Viele, die bei der Lancierung vor fünf Jahren bei Wind und Regen ausharrten, spazierten jetzt gemeinsam bei etwas versöhnlicherem Wetter in die Zentralschweiz, um den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative zu unterstützen. Denn die Stimmbevölkerung wird am 18. Juni über das Klimaschutzgesetz abstimmen, nachdem die SVP Anfang Jahr das Referendum eingereicht hat. Das Klimaschutzgesetz ist ein entscheidender Schritt für die Klimapolitik in der Schweiz. Es weist den Weg zu netto null Treibhausgasemissionen und schreibt dringend nötige Ziele fest, damit die Schweiz ihren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leistet. Die SVP will aber keinen Fahrplan für den Ausstieg aus den fossilen Brenn- und Treibstoffen und schürt Ängste vor hohen Kosten. Dies obwohl gerade die Abhängigkeit von diesen fossilen Energien und damit von einem globalen Energiemarkt mit extremen Preisschwankungen heute für unkalkulierbare Kosten sorgt. Das ­Gesetz ist deshalb eine grosse Chance für eine zu 100 Prozent erneuerbare, energiesichere und unabhängige Schweiz. Von den Klimaseniorinnen bis zur Klimajugend, von Cleantech-Vertretern aus der Wirtschaft bis zu Politikern verschiedenster Parteien traten in Flüeli-Ranft viele Gruppierungen gemeinsam auf, um mitzuhelfen, die Risse in der Klimapolitik, die nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes zurückgeblieben sind, zu kitten und für ein Ja zum Klimaschutzgesetz zu werben. Dieses soll die Schweiz auf den Weg bringen, die Ära der fossilen Energien hinter sich zu lassen.

Feuerwehrübungen lenken von ­grossen Problemen ab

Die mediale Aufmerksamkeit rund um den Start der Ja-Kampagne zeigte eines der grossen Probleme in der Klimapolitik. Denn in den Schlagzeilen war fast ausschliesslich das Grounding der Credit Suisse. Dafür hat der Staat mit Notrecht innert Kürze Milliarden gesprochen, aus Angst vor den Folgen eines Bankenkollapses. Dass der Kollaps des Klimas bei mehr als nur einigen Bankkonten ans Eingemachte gehen wird, dieses Bewusstsein scheint immer noch nicht vorhanden. Denn auch die Aussagen aus dem neuesten Synthesebericht des Weltklimarates IPCC, die ebenfalls in derselben Woche publiziert wurden, gingen in der Schweiz im Lamento um die CS unter. Dabei sind die Schlussfolgerungen des wie immer sehr zurückhaltend formulierten Berichts so glasklar wie noch nie. «Wir sind heute in einer Notlage», sagte Co-Autorin Sonia Seneviratne, ETH Zürich, in Flüeli-Ranft und ergänzte: «Mit jeder zusätzlichen Erwärmung steigt das Risiko von Extremereignissen bisher unbekannten Aus­mas­ses oder von abrupten massiven globalen Veränderungen.» Als Alpenland ist die Schweiz besonders stark von den Folgen der Klimakrise betroffen. Weltweit hat die CO2-Konzentration in der Atmosphäre den höchsten Stand seit zwei Millionen Jahren erreicht, und der Meeresspiegel steigt so schnell an wie seit 3000 Jahren nicht mehr. Die Berichte der IPCC zeigen auch, dass die derzeitige Erwärmung um 1,1 °C bereits gefährliche Störungen für die Natur und das menschliche Wohlergehen auf der ganzen Welt verursacht hat. Viele aufgetretene Auswirkungen der Klimakrise sind schlimmer als im letzten IPCC-Synthesebericht von 2014 vorausgesagt. Und bislang ist kein Land der Welt auf einem Weg, der das 1,5-°C-Ziel erreichbar macht – auch die Schweiz nicht.

Rückkoppelungseffekte mit unabsehbaren Folgen

Bei der derzeitigen Erwärmung treten bereits Effekte auf, die das Klima noch zusätzlich anheizen. So haben Forschende der ETH Zürich mithilfe von Satellitendaten eine Methode entwickelt, um die Freisetzung von Kohlenstoff aus dem arktischen Permafrost zu bestimmen. Ihre Untersuchungen zeigen, wie sommerliche Hitzewellen arktische Erdrutsche im auftauenden Permafrost beschleunigen. Solche Erdrutsche können Kohlenstoff freisetzen, der seit Zehntausenden von Jahren im Permafrostboden gespeichert ist. Die Resultate wurden ebenfalls im März veröffentlicht. Das Forschungsteam berichtet von einem starken, 43-​fachen Anstieg der Taurutschungen und einer 28-​fachen Zunahme der Kohlenstoffmobilisierung. Dies ist umso beängstigender, als in den arktischen Permafrostböden rund 1,5 Billionen Tonnen organischer Kohlenstoff gespeichert sind – etwa doppelt so viel wie derzeit in der Atmosphäre. Alles, was hier freigesetzt wird, kommt zu den weiterhin menschgemachten Emissionen hinzu. Gemäss IPCC werden auf heutigem Niveau anhaltende Treibhausgasemissionen zu einer zunehmenden globalen Erwärmung führen, wobei 1,5 °C bereits in diesem oder im nächsten Jahrzehnt erreicht werden. Einige künftige Veränderungen seien bereits unvermeidbar und unumkehrbar. «Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle gesichert werden kann, schliesst sich rapide», heisst es in der Zusammenfassung der Resultate des IPCC. Eine Anpassung an die Erwärmung werde mit jedem zusätzlichen Zehntelgrad schwieriger. «Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass wir noch nicht genug tun, um auf diese Krise zu reagieren. Mit den derzeitigen Emissionen, die immer noch auf dem höchsten Stand in der Geschichte der Menschheit sind, sind wir weit vom Kurs abgekommen», so Stephanie Roe, Hauptautorin des Berichts der IPCC-Arbeitsgruppe III. Der Synthesebericht zeigt aber auch auf, dass durch eine tiefgreifende, rasche und anhaltende Minderung der globalen Treibhausgasemissionen die schlimmsten Folgen begrenzt werden könnten. Dafür brauche es wirksame Klimamassnahmen, die vor allem durch politische Entschlossenheit ermöglicht würden. Klare politische Ziele erleichterten wirksame Klimamassnahmen, schreibt das IPCC. Das ist genau der Ansatz des Gegenvorschlags zur Gletscher-Initiative, in dem der Absenkpfad für die Schweiz festgelegt wird.

Die Schweiz ist keine Insel

Dass die globalen Veränderungen einen sehr direkten Einfluss auf die Schweiz haben, hat sich sowohl im letzten Sommer als auch im letzten Winter gezeigt. «Allein im letzten Sommer haben die Schweizer Gletscher mehr als sechs Prozent ihres Eises verloren. Das Schwinden der Gletscher ist ein Weckruf!», sagte Co-Kampagnenleiterin Sophie Schütz am Kampagnenstart in Flüeli-Ranft. Nach den viel zu hohen Wintertemperaturen und dem fehlenden Schneefall ist zudem nicht zu erwarten, dass den Gletschern im kommenden Sommer eine Erholungspause gegönnt wird. Dafür waren die Schneefälle Anfang April viel zu wenig ausgiebig. Einzig beherztes Handeln bezüglich des Ausstosses von Klimagasen kann helfen, vielleicht einen Teil der Gletscher langfristig zu erhalten. «Gemeinsam müssen wir die Klimaerwärmung stoppen. Mit einem Ja am 18. Juni schützen wir, was uns wichtig ist», so Sophie Schütz. Die Schweiz muss ihren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten. Die Reduktion ihrer eigenen Emissionen ist ein wichtiger Schritt für die Klimagerechtigkeit. Das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit, wie das Klimaschutz­gesetz mit vollem Namen heisst, schützt die Bevölkerung, ihre Lebensgrundlage und die Natur. Mit dem Gesetz setzt sich die Schweiz klare Ziele, mit denen sie schrittweise klimaneutral wird. Mit einem Ja übernimmt die Stimmbevölkerung Verantwortung für jetzige und kommende Generationen. Die Abhängigkeit von fossilen Energien aus dem Ausland wird mit dem Gesetz spätestens 2050 ein Ende haben.

Klima-Allianz fordert mehr

«Das Klimaschutzgesetz ist für eine verantwortungsvolle Klimapolitik in der Schweiz ein erster Schritt», sagt Christian Lüthi, Geschäftsleiter der Klima-Allianz. Um der Dringlichkeit der Klimakrise gerecht zu werden, fordert die Klima-Allianz aber darüber hinaus Schritte. Beispielsweise ein klares Bekenntnis, dass die Schweiz für die Reduktion ihrer Emissionen selbst zuständig ist, ohne diese Verantwortung ins Ausland zu schieben. Zudem müssten sich die gesetzten Zwischenziele an einem wissenschaftsbasierten Emissionsbudget und am 1,5-°C-Ziel des Pariser Abkommens orientieren. Die Klima-Allianz fordert mindestens eine Milliarde Franken pro Jahr für die internationale Klimafinanzierung, zur Unterstützung der ärmsten Länder bei der Bekämpfung und der Anpassung an die Klimakrise. Angesichts der Milliarden, die für die Rettung von Banken, die an der eigenen Misswirtschaft zugrunde gegangen sind, ausgegeben wurden, scheint diese Forderung nicht überrissen. Geht es doch bei der Bekämpfung der Klimakrise im wahrsten Sinne des Wortes um unser aller Überleben.

klimaschutzgesetz-ja.ch