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Elektromobilität: Das starke Wachstum wird 2024 weiter gebremst

Das Wachstum der Elektromobilität setzt sich fort, jedoch weniger stark als von der Branche erwartet. Der Anteil der reinen Elektroautos betrug 2023 20,9%. Zusammen mit den Plug-in-Hybriden konnte ein Anteil von 30,1% erreicht werden. Auch elektrische Liefer- und Lastwagen legen weiter kräftig zu. Doch obwohl sich der elektrische Antrieb insgesamt durchzusetzen scheint, bremsen insbesondere fehlende Heimladestationen die Entwicklung.

Text: Beat Kohler
Das Wachstum der Elektromobilität in der Schweiz nahm in den letzten fünf Jahren einen exponentiellen Verlauf. Waren 2018 noch rund 20 000 Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb unterwegs, hat sich diese Zahl bis zum vergangenen Jahr auf gut 160 000 Fahrzeuge verachtfacht. Gemessen an den rund 4,7 Millionen Personenwagen, die in der Schweiz auf den Stras­sen unterwegs sind, ist die Zahl aber immer noch verschwindend klein. Dennoch kann man den Zuwachs auch als Erfolg der Roadmap Elektromobilität sehen. Von 2018 bis 2022 verfolgte diese das Ziel, den Anteil der Steckerfahrzeuge an den Neuzulassungen von Personenwagen bis 2022 auf 15% zu erhöhen, was übertroffen werden konnte.

Roadmap mit neuen Zielen

So haben sich Vertreterinnen und Vertreter der Automobil-, Elektrizitäts-, Immobilien- und Fahrzeugflottenbranche sowie von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden im Mai 2022 noch unter der Schirmherrschaft von alt Bundesrätin ­Simonetta Sommaruga auf eine zweite Etappe der Roadmap bis Ende 2025 ge­einigt. Die neuen Ziele sind ambitionierter: Bis Ende 2025 soll der Anteil der ­reinen Elektroautos und der Plug-in-Hybride an den Neuzulassungen 50% erreichen. Zudem sollen bis Ende 2025 20 000 allgemein zugängliche Ladestationen zur Verfügung stehen. Als qualitatives Ziel wurde «nutzerfreundliches und netzdienliches Laden – zu Hause, am Arbeitsort und unterwegs» festgelegt. Bis Ende 2023 betrug der Marktanteil der batterieelektrischen Autos (BEV) nun 20,9% (2022 waren es noch 17,3%), zuzüglich der Plug-in-Hybride (9,2%; 2022 waren es noch 8%) hatte rund jedes dritte Neufahrzeug einen ­Stecker. Weiter ausgebaut wurde auch das Ladenetz. 2023 entstanden rund 4000 neue öffentliche Ladestationen. Ende November 2023 standen somit 16 865 öffentlich zugängliche Ladeinfrastrukturen zur Verfügung.

Zuwachs 2023 geringer als erwartet

Der Zuwachs im vergangenen Jahr scheint auf den ersten Blick erfreulich. Doch sei das Wachstum geringer als erwartet, erklärt der Verband Swiss eMobility, der die Interessen der Elektromobilität in der Schweiz vertritt. Fehlende Heimladesta­tionen bremsten die Entwicklung, auch wenn der Ausbau öffentlicher Ladestationen hier ein wenig Abhilfe schaffe. Besonders für Mieterinnen und Stockwerk­eigentümer ist das Laden von Elektrofahrzeugen dennoch sehr schwierig. Da die Schweiz ein Land von Mieterinnen und Mietern ist, braucht es hier mehr Lade­stationen, um die Elektromobilität wirklich zu einem Massenphänomen zu machen. Andere hemmende Faktoren kommen hinzu. So stellt die Importeursvereinigung auto-schweiz eine deutliche Verlangsamung des Wachstums in Aussicht. Dafür sehen die Importeure verschiedene Gründe: eine sich abkühlende Konjunktur, aufgrund der die E-Auto-Käufe von den Kunden nach hinten geschoben werden, aber auch ungenügende Ladeinfrastrukturen und steigende Strompreise im staatlich dominierten Stromm

arkt sowie deutlich schlechtere politische Rahmenbedingungen. «Obwohl die Politik Elektrofahrzeuge auf unseren Stras­sen sehen will, um die Klimaziele zu erreichen, verschlechtert die gleiche Politik am Laufmeter die Rahmenbedingungen für die E-Mobilität», erklärt Peter Grünenfelder, seit Anfang August 2023 Präsident von auto-schweiz. Die Politik sei gefordert, den klimafreundlichen Worten auch Taten folgen zu lassen, erklärte Grünenfelder nach seiner Wahl. «Dazu gehören ein rascher Ausbau einheimischer Stromkapazitäten für eine sichere Versorgung mit ausreichenden Mengen an CO2-armem Strom, ein rascherer und vereinfachter Ausbau der Ladeinfrastruktur und ein Verzicht auf die Erhebung der Automobilsteuer auf Elektroautos.» Doch die Politik schlug einen anderen Weg ein.

Neue Steuern auf Elektroautos

Der Bundesrat hat letzten November entschieden, die Automobilsteuer bereits ab 2024 auf Elektrofahrzeuge auszuweiten.Damit werden batterieelektrische Personen- und Lieferwagen mit der vierprozentigen Abgabe auf den Importpreis belegt, wie es bei Verbrennerautos schon immer der Fall war. Damit will der Bundesrat den Steuerausfällen entgegen­wirken und die Einlagen zugunsten des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) sichern. Denn der grosse Zuwachs an den bisher steuerbefreiten Elektroautos führte zu entsprechenden Steuerausfällen. Eine Sonderbehandlung für Elektroautos bei der Automobilsteuer ist laut dem Bundesrat auch deshalb nicht mehr nötig, weil Elektroautos bald nicht mehr teurer seien als Benziner. In der Vernehmlassung gab es viele kritische Stimmen zur Einführung. Der Wirtschaftsdachverband economie­suisse plädierte dafür, die Steuer erst 2026 einzuführen. Der Gewerbeverband schlug eine schrittweise Einführung der Besteuerung von E-Autos bis 2028 vor. Enttäuscht über den Entscheid waren natürlich die Autoimporteure, die weiterhin auf die Steuerbefreiung gehofft hatten. Auch Swiss eMobility äussert sich kritisch zur Besteuerung. Insbesondere da schon im vergangenen Jahr das Wachstum im E-Auto-Markt aus verschiedenen Gründen gebremst wurde, dies auch im Vergleich mit dem europäischen Raum. Dennoch sieht der Branchenverband auch ­positive Zeichen für das laufende Jahr: Die Rohstoffpreise für Batterien seien 2023 massiv zurückgegangen, und diverse Hersteller planten Elektroauto-Neuentwicklungen in der Grössenordnung von 25 000 Franken. Die Relevanz von Elektroautos bezüglich der Erreichung der Schweizer Klimaziele sei nicht gesunken. Nicht zuletzt sei der massive Ausbau der Photovoltaik im vergangenen Jahr erfreulich, denn das Elektroauto könne für Anlagenbesitzende eine sinnvolle Ergänzung sein.
Nachgefragt bei Krispin Romang, 
Geschäftsführer des Verbands Swiss eMobility
Beat Kohler: Wo sehen Sie die Hauptfaktoren für die Zunahme von Elektroautos in den letzten fünf Jahren?
Krispin Romang: Das Elektroauto wird den Verbrenner zukünftig vollständig ersetzen. Immer mehr Anbieter stellen vollständig auf den elektrischen Antrieb um.
Man hat den Eindruck erhalten, dass auch die E-Autos in der jüngeren Vergangenheit immer schwerer und PS-stärker geworden sind. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Modell­palette?
Grosse Autos sind im Trend, unabhängig vom Antrieb. Zudem ist der Markteintritt der Elektromobilität vor allem in den hochpreisigen Segmenten erfolgt. Dies führt zum Eindruck, dass vor allem Elektroautos gross und schwer sind. Elektroautofahren ist günstiger, der Verkaufspreis beim Elektroauto aber noch höher als beim Verbrenner. Bei kleineren Fahrzeugen fällt der höhere Verkaufspreis viel mehr ins Gewicht. Deshalb ist der Anteil verfügbarer Elektroautos bei den schwereren Fahrzeugen, insbesondere bei den SUVs, grösser. Mittlerweile sind Elektroautos aber in allen Kategorien verfügbar.
Auf der anderen Seite kommen auch immer wieder Elektroleichtfahrzeuge auf den Markt. Haben diese eine Chance, über eine kleine Nische hinaus?
Der elektrische Antrieb ist die Grundvoraussetzung, dass diese Fahrzeugkategorie überhaupt eine reelle Chance auf dem Markt hat. Im urbanen Raum werden wir hoffentlich noch viele innovative Mobilitätskonzepte sehen, der Entwicklungsspielraum ist immens. Ich bin gespannt, welche Rolle die Leichtfahrzeuge dabei spielen werden.
Welche Rolle spielt die Energieeffizienz bei der Entwicklung neuer Elektrofahrzeuge?
Effizienz setzt sich immer durch, und die massive Einsparung an Energie ist ein riesiges Argument für die Elektromobilität. Auch innerhalb der Elektromobilität wurden signifikante Effizienzeinsparungen erzielt, auch durch verbesserte Batteriemanagementsysteme.
Elektromobilität ist nicht nur effizient, sondern wird auch als Traumpartner der Solarenergie bezeichnet?
Solarenergie und Elektromobilität passen wie die Faust aufs Auge. Insbesondere da Elektroautos zukünftig den Strom ans Gebäude oder Netz zurückgeben können. Damit wird das Elektroauto zum dezentralen Stromspeicher. Nebst Kosten­einsparung beim Netzausbau kann der Solarstrom so viel effizienter genutzt werden.
Im Zusammenhang mit der Solarenergie werden die Vorteile des bidirektionalen Ladens hervorgehoben. Wo geht die Entwicklung hin?
Verschiedene Studien zeigen das enorme Potenzial des bidirektionalen Ladens. Die Technologie ist da, immer mehr Fahrzeuge und Ladestationen sind fähig, sie zu nutzen. Bidirektionale Ladestationen sind derzeit noch deutlich teurer. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Kosten bei grösserer Skalierung zukünftig mehr als halbieren.
Welche Entwicklung erwarten Sie insgesamt im E-Auto-Markt im Jahr 2024?
Ich gehe von einem weiteren Wachstum aus, wobei die Entwicklung weiterhin unter dem europäischen Durchschnitt sein wird. Wir sind in der Schweiz nicht bereit, das Potenzial der Elektromobilität ausreichend zu nutzen.