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Die Zukunft der Mobilität

Vom 11. bis am 15. Juni fand in Oslo das 35. Electric Vehicle Symposium (EVS35) statt. Roman Moser, Student Bsc. Business Engineering Innovation, Hochschule Luzern, konnte aufgrund eines Sponsorings der Dr. Schüpbach & Muntwyler GmbH die Messe besuchen und gibt hier einen vertieften Einblick in die Grundlagen der Technologie Vehicle-to-Everything (V2X) und deren Relevanz für die Energiewende im Mobilitätssektor. Speziell die Technologie Vehicle-to-Grid (V2G) kann wesentlich dazu beitragen, die Energiewende Realität werden zu lassen.

Text: Roman Moser, Student Bsc. Business Engineering Innovation, Hochschule Luzern

Das Electric Vehicle Symposium ist das traditionsreichste Elektrofahrzeugsymposium der Welt. Die Ausstellungsmesse geht alle Fragen der E-Mobilität an. Den wissenschaftlichen Hauptteil deckten über 300 Präsentationen, 150 Vorträge von den führenden globalen E-Mobilitätsforschern, Diskussionsrunden und Tagungen zusammen mit politischen Entscheidungsträgern, Wissenschaftlern und der Wirtschaft ab. Insgesamt nahmen 2500 Fachleute aus der ganzen Welt teil. Neben der Konferenz lockte eine grosse Ausstellung. Sie zeigte Produkte und Dienstleistungen aus dem gesamten Bereich des elektrischen Transports. Vorgestellt wurde eine grosse Palette an Innovationen von Baumaschinen über Lastwagen und Autos bis hin zu mobilen Batteriepacks oder von künftigen Batteriekonzepten über diverse Ladeinfrastrukturen bis hin zu Smart-Grid-Lösungen sowie Carsharing-, V2X- und Mikromobilitätskonzepten. Im Test-and-Drive-Bereich konnten die Teilnehmenden des Symposiums Mobilitätskonzepte wie Roller, Lastenräder und die neusten Autos vor Ort testen. Oslo war der perfekte Ort für das diesjährige Symposium, setzt Norwegen doch am schnellsten und weitgehendsten auf die Elektrotransportindustrie. Das Land gilt mit über 75 % der Neuwagenverkäufe für vollelektrische Autos als Pionier der Mobilitätswende. Alleine Oslo bietet 2100 öffentliche Ladepunkte, Elektrobusse und eine Elektrofähre mit einer Kapazität von 200 Autos und 600 Personen und elektrifiziert sogar die ersten Baustellen.

Der Begriff bidirektionales Laden wird vielseitig verwendet. V2X ist der allgemeine Begriff, um die zusätzliche Funktionalität eines Elektroautos zu beschreiben, das Strom zurückspeisen kann. Elektrofahrzeuge können also direkt Privathaushalte (V2H), Geschäftsgebäude (V2B) oder Verbraucher (V2L) mit Strom versorgen. Der Begriff Vehicle-to-Grid (V2G) steht für die Technologie, die eine bidirektionale Energieübertragung zwischen Elektrofahrzeugen und dem Netz selbst ermöglicht. Auf diese Weise kann ein Elektrofahrzeug als mobile Batterie und zur dezentralen Erzeugung von Energien genutzt werden. Dies kann zu einer Senkung der Energiekosten führen und eine zusätzliche Einnahmequelle für den Elektroautobesitzer generieren.

Viele Vorteile

Der in den Batterien gespeicherte Strom kann ins Netz eingespeist werden und wird vergütet. Daher können Elektro­auto­besitzende mit ihrem Auto – das die meiste Zeit des Tages nur herumsteht – eine Einnahmequelle generieren. Wer zusätzlich eine Solaranlage betreibt, kann den nicht direkt verwendeten produzierten Strom in der Batterie speichern. Abends und in der Nacht kann diese gespeicherte Energie direkt aus den Batterien genutzt werden, anstatt Strom aus dem Netz zuzukaufen. Die positiven Folgen sind reduzierte Kosten für Strom und eine schnellere Amortisationszeit von Auto und Solaranlage.

Auch den Netz- und Systembetreibern kann V2G helfen, indem sie das gesamte System und seine Lasten besser verwalten können. Wenn die Stromnachfrage und das Stromangebot in einem lokalen Netz reguliert werden müssen, können die Anbieter kostspielige Netzaufrüstungen vermeiden, da die Energie innerhalb des lokalen Netzes verlagert werden kann. Zusätzliche Flexibilität und eine breitere Palette des Produktportfolios sind weitere Vorteile für die lokalen Stromversorger. Aufgrund der schnellen Reaktionsgeschwindigkeit, die Batteriesysteme haben, können Frequenzregelungen mit Reaktionszeiten innerhalb von Sekunden erfolgen, um einen Ladevorgang zu starten und die Nachfrageseite zu erhöhen. Oder es kann Strom aus den Batterien auf der Angebotsseite bereitgestellt werden. Auf dem offenen Strommarkt schwanken die Preise ständig. An einem sonnigen Tag ist Strom tagsüber günstig. Höhere Preise entstehen, wenn die Sonnenscheindauer sinkt oder direkter Sonnenschein ganz wegfällt. Mit einer Arbitrage wird automatisch tagsüber günstiger Strom gekauft und abends zu höheren Preisen wieder verkauft. Für Verteilnetzbetreiber kann V2G eine wichtige Rolle bei der Verschiebung der Spitzenlasten spielen. Netz­werk­infrastrukturen sind sehr teuer und haben eine bestimmte Kapazität, die nicht überschritten werden kann. Zu Spitzenzeiten, wenn Unternehmen und Privathaushalte den meisten Strom verbrauchen, kann dieses maximale Kapazitätsniveau der Infrastruktur erreicht werden. Anstatt dass man einen hohen Betrag in die Infrastruktur investiert, kann V2G dazu beitragen, diese Spitzen zu verschieben. Die V2G-Technologie kann zusätzliche Energie von lokalen Elektrofahrzeugen an das Netz liefern, und auch die Notwendigkeit, mehr Strom zu importieren, wird reduziert. Bei einem Notfall, wenn das Netz aufgrund eines Stromausfalls zusammenbricht, können Elektrofahrzeuge als Back-up-Energiequellen verwendet werden. Kapazitätsstarke Batterien in Elektrofahrzeugen können viel mehr Strom speichern als aktuelle Heimbatterien. Bei einer Netztrennung und einer automatischen Speisung aus einer Autobatterie ist es so möglich, alle elektrischen Systeme in einem Haushalt über einen längeren Zeitraum weiterhin mit Strom zu versorgen.

Weitere Entwicklung

Seit April 2022 ist die neueste Kommunikationsschnittstelle ISO15118-20 veröffentlicht. Der ISO-Standard auf Basis des CCS2-Steckers definiert die Kommunikation zwischen Elektroauto und Ladestation. Die Protokolle sind standardisiert und sichern die Kommunikation für effizientes V2G. Mit dieser Norm können Automobil- und Ladestationenhersteller nach einem gemeinsamen Standard produzieren und eine erfolgreiche Kommunikation garantieren. Die Technologie ist dank diesen Standards grundsätzlich bereit für die Markteinführung. Pilotprojekte wie Stellantis Fast Reserve (Italien), V2X Suisse (Schweiz), Project SCALE (New Horizon Europe) oder das bidirektionale Ökosystem für Utrecht (Niederlande) laufen derzeit und werden diesen neuen Standard hoffentlich implementieren, um ihn im Detail zu testen.

Schlussfolgerung

Wie bereits erwähnt, kann und wird V2G den Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität und einem stabilen Stromnetz unterstützen und eine wichtige Rolle in der Klimadiskussion spielen. Es bietet neue Innovationsmöglichkeiten für die gesamte Energiewirtschaft. Die erwähnten Projekte führen zur Implementierung dieser neuen Technologie im Markt und fördern so weltweit erschwinglichen und nachhaltig produzierten Strom. Darüber hinaus wird V2G Städten und Gemeinden helfen, nachhaltiger zu sein, da erneuerbare Energie aus Wind und Sonne lokal in Batterien gespeichert werden und zu einem späteren Bedarfszeitpunkt verwendet werden kann.

www.v2g-hub.com
www.iso.org/standard/77845.html